Das Manifest

Mein Buch dient vor allem der “antiquarischen” Seite meines Anliegens: Einfach einmal darzustellen, welche linken Lesarten Nietzsches es gegeben hat. Bisweilen bediene ich mich Nietzsches Stilmittel der “monumentalischen Historie”, doch immer mit Maß – und umgekehrt stelle ich den Rechts-Nietzscheanismus bewusst nicht wertfrei dar, sondern als Gegner: den man respektiert und fair behandelt, den es aber trotzdem zu bekämpfen gilt und dessen Schwachpunkte ich schonungslos aufzuzeigen bemüht bin.

Den gegenwartsbezogenen Überschuss, sozusagen die Ergebnisse meiner Studien, insoweit sie die Aktualität des linken Kampfes betreffen, fasse ich auf 50 Seiten in der Broschüre “Die Linke neu leben Thesen für einen linken Nietzsche heute” zusammen, die in der Reihe Philosophische Gespräche des Helle Panke e. V. in Berlin erschien. Wenn man so will, stellt sie den Versuch dar, nicht nur über den LinksNietzscheanismus, sondern selbst linksnietzscheanisch zu sprechen: Etwas von dem Feuer zu vermitteln und weiterzugeben, das Nietzsches Texte und diejenigen seiner Schüler oft im Leser entfachen und das ihren eigentlichen Witz ausmacht (freilich auch ihre ‘Gefährlichkeit’ nach den Maßstäben einer von allem lebendigen Gespräch gereinigten ‘Diskursethik’).

Ich begebe mich mit dieser Schrift gewissermaßen ins “Handgemenge” (Marx) und spitze bewusst zu, um zum Nachdenken und vor allem zum Fühlen und Handeln zu provozieren eben so, wie es auch Nietzsche tut. Meine Kernthese: Was die linke Theorie wie auch die linke Politik systematisch ausblendet, vergisst oder sogar verdammt und bekämpft ist die leibliche, ‘irrationale’ Seite des Menschen dasjenige, was Freud (in Anschluss an Nietzsche) das “Es” nennt, Nietzsche bisweilen den “Willen zur Macht” oder auch das “Dionysische”. Die Leiblichkeit, die Triebhaftigkeit, die Emotionalität und die Leidenschaft. Und umgekehrt gewinnt die rechte Politik die realen Kämpfe stets deswegen, weil sie diesem Moment theoretisch wie praktisch stärker Rechnung trägt, weil sie es ganz in das Zentrum ihres Menschenbilds stellt: Für faschistische Theoretiker wie Heidegger oder Carl Schmitt ist der Mensch wesentlich kein sprechendes, denkendes oder auch arbeitendes oder sexuelles, sondern ein fühlendes Wesen eines, das Entscheidungen trifft, das entschlossen oder ängstlich ist, das stolz ist oder feige, großherzig oder kleinmütig.

Natürlich ist dieses wesentlich soldatische Weltbild, das wir bei Nietzsche (auch wenn sich Schmitt etwa auf ihn ‘mit Entschiedenheit’ nicht bezieht, sondern ihn im Gegenteil als bürgerlichen Träumer verdammt) bereits präfiguriert finden, nichts, an was das linke Projekt bruchlos anknüpfen oder was es einfach in das eigene Vorhaben unverwandelt integrieren könnte. Für was ich plädiere, ist nicht eine Mischung von linkem Verstand und faschistischem Herz um was es mir geht, ist es vielmehr, eine linke Emotionalität zu entdecken, die eine qualitative Alternative zum Menschenbild der Rechten darstellt. Wenn man so will, bemühe ich mich darum, eine linke “Herrenmoral” (Nietzsche) zu skizzieren.

Ich denke, die Linke muss sich vor allem von ihrer Befangenheit in der Ideologie der politischen Korrektheit freimachen, die mit der Angst vor der Emotionalität Hand in Hand geht. Ich will damit nicht all jenen, die sich etwa für eine ‘gendergerechte Sprache’ einsetzen oder dafür, bestimmte rassistische Begriffe aus der Sprache zu verbannen, schlechte Intentionen unterstellen oder ihrem Anliegen jede Berechtigung absprechen. Doch trotzdem bin ich der Auffassung, dass die Fixierung weiter Teile der Linken auf moralische Unangreifbarkeit, symbolische Sauberkeit, richtiges Sprechverhalten etc. eine Sackgasse darstellt, die unserem geteilten Anliegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur schadet: Wir fokussieren uns damit auf Scheinprobleme, die mit der Lebenswirklichkeit der “Verdammten dieser Erde” nichts zu tun haben und wirken damit im schlimmsten Fall sogar daran mit, dem Kapitalismus einen moralisch einwandfreien Anstrich zu verpassen. Wir sollten uns nicht so sehr darüber empören, dass jemand aus Unwissenheit ein ‘böses Wort’ gebraucht empören wir uns lieber über die neokoloniale Handelspolitik, die die EU unter deutscher Führung in Afrika betreibt. Und zeigen wir denen, die ‘böse Wörter’ gebrauchen, auf, dass das dieselbe Politik ist, die auch ihr Leben kolonisiert. Beschränken wir uns vor allem nicht nur auf negative Gefühle wie Hass, Zorn, Empörung oder Angst, sondern lernen wir auch wieder, den Mut, die Hoffnung, die Liebe, den Über-Mut zu kultivieren. Entwickeln wir, um den Ausdruck eines Geistesverwandten zu gebrauchen, eine “Politisch Unkorrekte Links-Linke” ich denke, eine solche linke Bewegung “von Nietzscheschem Geist und von Marxen geschweißt”, wäre in der Lage, den gegenwärtigen Barbarisierungstrend nicht nur aufzuhalten, sondern auch umzukehren und die Geschichte wieder in hoffnungsvollere Bahnen zurückzuführen. – Die politisch-korrekte Mainstream-Linke tut das meines Erachtens nicht, sondern wirft sogar noch Kohlen in den Triebwagen gen Abgrund.

Die Broschüre kann über die Internetseite des Vereins Helle Panke e. V. bezogen werden, wo sich auch eine längere Leseprobe findet (Link).