Die Rolle Spinozas bzw. Franz Overbecks in Nietzsches Biographie ..
Zitat von Seiltaenzery am 29. Dezember 2021, 1:20 UhrWenn man denn für Nietzsches Biographie seine Briefe her nimmt, so sticht.( so zumindest meine Meinung) aus einer seiner Briefe an Franz Overbeck folgendes Zitat besonders hervor …
An Franz Overbeck ( 30.07.1881)
Ich bin ganz erstaunt, ganz entzückt! Ich habe einen Vorgänger und was für einen! Ich kannte Spinoza fast nicht: daß mich jetzt nach ihm verlangte, war eine »Instinkthandlung«. Nicht nur, daß seine Gesamttendenz gleich der meinen ist – die Erkenntnis zum mächtigsten Affekt zu machen –, in fünf Hauptpunkten seiner Lehre finde ich mich wieder,
Nur um einmal zu erwähnen, in welchen „fünf Hauptpunkten“ sich Nietzsche wiederfindet..
- 1. Über Gott
- 2. Über die Natur und den Ursprung des Geistes
- 3. Über den Ursprung und die Natur der Affekte
- 4. Über die menschliche Unfreiheit, oder die Macht der Affekte
- 5. Über die Macht der Erkenntnis, oder die menschliche Freiheit
Baruch de Spinoza .. Ehgik - In geometrischer Weise behandelt in fünf Teilen
Innerhalb meiner Schriften steht für sich mein Zarathustra. Ich habe mit ihm der Menschheit das größte Geschenk gemacht, das ihr bisher gemacht worden ist.
Nach meiner festen Überzeugung wurde der „späte“ Nietzsche und dabei insbesondere sein „größtes Geschenk“ von Spinoza vielleicht nicht inspiriert, so doch zumindest gemäß der o.g. »Instinkthandlung« beeinflusst . (Näheres dazu noch später andernorts)
Übrigens spielte Spinoza auch in meiner Biographie eine ähnlich herausragende Rolle . Vor Spinoza war für mich Nietzsche , der DDR Sozialisation bzw. dem Unterricht in DHM sei dank , bestenfalls ein Spinner .. schlimmsten Falls ein Wegbereiter der Nazis. Ohne das auch ich zuvor von Spinoza .." ganz erstaunt und entzückt ..wurde , würde Nietzsche in meiner Biographie vermutlich noch heute diese unsägliche Rolle spielen.
Von einem solchen Erstaunen und Entzücken kann bei Paul Stephan wohl eher keine Rede sein. In seinem Band 1 des »Links Nietzscheanismus« findet sich zu Spinoza rein gar nichts und auch in Band 2 wird er nur unter ferner liefen erwähnt. Was nicht ist, kann ja noch werden. Weil ihm der Individualismus offenbar ein besonderes Anliegen ist , sei Paul Stephan insbesondere der erste Hauptpunkt aus Spinozas Lehre als Lektüre empfohlen.
Um auf den Briefverkehr mit Franz Overbeck zurück zu kommen ..
An Franz Overbeck ( 23.02.1887)
Lieber Freund
.. heute nur meinen Dank für deinen Brief und die Geldsendung, die mich sehr beruhigt hat ichn war selten inmeinem Leben so sehr am Ende meines „Lateins“
.. in dem sich Nietzsche hier für eine Geldsendung bedankt , so scheint Franz Overbeck in seiner Biographie eine ähnliche Rolle gespielt zu haben , wie Friedrich Engels in der Biographie von Karl Marx. Auch sollen sie sich .. lt. einem Eintrag in Wikipedia .. in ihren Grundthesen einig gewesen zu sein.
Stefan Zweig soll über das Verhältnis von Franz Overbeck zu Nietzsche gesagt haben ..
„Er ist der Postmeister, der Kommissionär, der Bankier, der Arzt, der Vermittler, der Nachrichtenüberbringer, der ewige Tröster, der sanfte Beruhiger.“ Er weiß, in welchem Maß Nietzsche lebensunfähig ist und der Fürsorge bedarf.“
Wenn man denn für Nietzsches Biographie seine Briefe her nimmt, so sticht.( so zumindest meine Meinung) aus einer seiner Briefe an Franz Overbeck folgendes Zitat besonders hervor …
An Franz Overbeck ( 30.07.1881)
Ich bin ganz erstaunt, ganz entzückt! Ich habe einen Vorgänger und was für einen! Ich kannte Spinoza fast nicht: daß mich jetzt nach ihm verlangte, war eine »Instinkthandlung«. Nicht nur, daß seine Gesamttendenz gleich der meinen ist – die Erkenntnis zum mächtigsten Affekt zu machen –, in fünf Hauptpunkten seiner Lehre finde ich mich wieder,
Nur um einmal zu erwähnen, in welchen „fünf Hauptpunkten“ sich Nietzsche wiederfindet..
- 1. Über Gott
- 2. Über die Natur und den Ursprung des Geistes
- 3. Über den Ursprung und die Natur der Affekte
- 4. Über die menschliche Unfreiheit, oder die Macht der Affekte
- 5. Über die Macht der Erkenntnis, oder die menschliche Freiheit
Baruch de Spinoza .. Ehgik - In geometrischer Weise behandelt in fünf Teilen
Innerhalb meiner Schriften steht für sich mein Zarathustra. Ich habe mit ihm der Menschheit das größte Geschenk gemacht, das ihr bisher gemacht worden ist.
Nach meiner festen Überzeugung wurde der „späte“ Nietzsche und dabei insbesondere sein „größtes Geschenk“ von Spinoza vielleicht nicht inspiriert, so doch zumindest gemäß der o.g. »Instinkthandlung« beeinflusst . (Näheres dazu noch später andernorts)
Übrigens spielte Spinoza auch in meiner Biographie eine ähnlich herausragende Rolle . Vor Spinoza war für mich Nietzsche , der DDR Sozialisation bzw. dem Unterricht in DHM sei dank , bestenfalls ein Spinner .. schlimmsten Falls ein Wegbereiter der Nazis. Ohne das auch ich zuvor von Spinoza .." ganz erstaunt und entzückt ..wurde , würde Nietzsche in meiner Biographie vermutlich noch heute diese unsägliche Rolle spielen.
Von einem solchen Erstaunen und Entzücken kann bei Paul Stephan wohl eher keine Rede sein. In seinem Band 1 des »Links Nietzscheanismus« findet sich zu Spinoza rein gar nichts und auch in Band 2 wird er nur unter ferner liefen erwähnt. Was nicht ist, kann ja noch werden. Weil ihm der Individualismus offenbar ein besonderes Anliegen ist , sei Paul Stephan insbesondere der erste Hauptpunkt aus Spinozas Lehre als Lektüre empfohlen.
Um auf den Briefverkehr mit Franz Overbeck zurück zu kommen ..
An Franz Overbeck ( 23.02.1887)
Lieber Freund
.. heute nur meinen Dank für deinen Brief und die Geldsendung, die mich sehr beruhigt hat ichn war selten inmeinem Leben so sehr am Ende meines „Lateins“
.. in dem sich Nietzsche hier für eine Geldsendung bedankt , so scheint Franz Overbeck in seiner Biographie eine ähnliche Rolle gespielt zu haben , wie Friedrich Engels in der Biographie von Karl Marx. Auch sollen sie sich .. lt. einem Eintrag in Wikipedia .. in ihren Grundthesen einig gewesen zu sein.
Stefan Zweig soll über das Verhältnis von Franz Overbeck zu Nietzsche gesagt haben ..
„Er ist der Postmeister, der Kommissionär, der Bankier, der Arzt, der Vermittler, der Nachrichtenüberbringer, der ewige Tröster, der sanfte Beruhiger.“ Er weiß, in welchem Maß Nietzsche lebensunfähig ist und der Fürsorge bedarf.“
Zitat von PS am 9. April 2022, 23:37 UhrHm, die Einigkeit bezieht sich ja nur auf auf das Frühwerk ... Niemand aus Nietzsches Freundeskreis vermochte es, seinen späteren Schriften noch zu folgen, auch Overbeck nicht. Er war vor seinem geistigen Zusammenbruch nahezu isoliert.
Eine ähnliche Nähe wie zwischen Engels und Marx sehe ich da beim besten Willen nicht angelegt.
Ich wollte ja keine Nietzsche-Biographie schreiben und auch keine seiner "intellektuellen Einflüsse", von daher habe ich auch die Verbindung "Nietzsche-Spinoza" weitgehend ausgespart, in der Tat.
Ich weiß, dass es einige Leute (wie etwa Hardt und Negri, vgl. Bd. 2, S. 463) gibt, die die Verbindung Nietzsche-Spinoza für sehr wichtig halten.
Ich muss allerdings zugeben, dass ich das nie so ganz verstanden habe. Nietzsche äußerst sich zu Spinoza nur sehr selten und wenn dann, wird er unter "große Persönlichkeiten" abgehandelt. Zwischen Spinozas und Nietzsches Religionskritik und der Willenslehre gibt es natürlich einige Parallelen, aber auch große Unterschiede. Der zentrale Unterschied - und das ist mE der Entscheidende -, ist, dass Spinoza von einer optimistischen Erkenntnistheorie ausgeht (er hält die Welt für vollkommen rational beschreibbar; zumindest verstehe ich ihn so) und ein metaphysisches System konstruiert. Spinoza ist ein Denker der frühen Aufklärungszeit und ein liberaler Vordenker der bürgerlichen Revolutionen, Nietzsche lebt in einer anderen Zeit und hat ein anderes Projekt.
Wirklich wichtige intellektuelle Quellen sind für Nietzsche ganz andere mE: Schopenhauer, die Links-Hegelianer und Autoren des 19. Jahrhunderts, die heute weitgehend vergessen sind wie Eugen Dühring oder F. A. Lange - und natürlich die antiken Philosophen.
Hm, die Einigkeit bezieht sich ja nur auf auf das Frühwerk ... Niemand aus Nietzsches Freundeskreis vermochte es, seinen späteren Schriften noch zu folgen, auch Overbeck nicht. Er war vor seinem geistigen Zusammenbruch nahezu isoliert.
Eine ähnliche Nähe wie zwischen Engels und Marx sehe ich da beim besten Willen nicht angelegt.
Ich wollte ja keine Nietzsche-Biographie schreiben und auch keine seiner "intellektuellen Einflüsse", von daher habe ich auch die Verbindung "Nietzsche-Spinoza" weitgehend ausgespart, in der Tat.
Ich weiß, dass es einige Leute (wie etwa Hardt und Negri, vgl. Bd. 2, S. 463) gibt, die die Verbindung Nietzsche-Spinoza für sehr wichtig halten.
Ich muss allerdings zugeben, dass ich das nie so ganz verstanden habe. Nietzsche äußerst sich zu Spinoza nur sehr selten und wenn dann, wird er unter "große Persönlichkeiten" abgehandelt. Zwischen Spinozas und Nietzsches Religionskritik und der Willenslehre gibt es natürlich einige Parallelen, aber auch große Unterschiede. Der zentrale Unterschied - und das ist mE der Entscheidende -, ist, dass Spinoza von einer optimistischen Erkenntnistheorie ausgeht (er hält die Welt für vollkommen rational beschreibbar; zumindest verstehe ich ihn so) und ein metaphysisches System konstruiert. Spinoza ist ein Denker der frühen Aufklärungszeit und ein liberaler Vordenker der bürgerlichen Revolutionen, Nietzsche lebt in einer anderen Zeit und hat ein anderes Projekt.
Wirklich wichtige intellektuelle Quellen sind für Nietzsche ganz andere mE: Schopenhauer, die Links-Hegelianer und Autoren des 19. Jahrhunderts, die heute weitgehend vergessen sind wie Eugen Dühring oder F. A. Lange - und natürlich die antiken Philosophen.
Zitat von Seiltaenzery am 13. Mai 2022, 4:47 UhrZitat von PS am 9. April 2022, 23:37 UhrSpinoza ist ein Denker der frühen Aufklärungszeit und ein liberaler Vordenker der bürgerlichen Revolutionen, Nietzsche lebt in einer anderen Zeit und hat ein anderes Projekt.
Ist das so ? Hat Nietzsche tatsächlich ein anderes Projekt als Nietzsche? Zur Beantwortung dieser Frage greife ich einmal auf die nun folgenden Zitate von Spinoza und Nietzsche zurück ..
Achter Lehrsatz
Die Erkenntnis des Guten und Schlechten ist nichts anderes als der Affekt der Lust oder Unlust, sofern wir uns desselben bewußt sind.
Spinoza .. Über die menschliche Unfreiheit oder die Macht der Affekte
– kurz, die Moralen sind auch nur eine Zeichensprache der Affekte.
Friedrich Nietzsche .. Jenseits von Gut und Böse
Zitate , die , wenn man sie denn wie folgt aneinander reiht . ..
Die Erkenntnis des Guten und Schlechten ist nichts anderes als der Affekt der Lust oder Unlust, sofern wir uns desselben bewußt sind.– kurz, die Moralen sind auch nur eine Zeichensprache der Affekte.
.. sich auf das Hervorragendste ergänzen und somit zumindest diesbezüglich auf ein gemeinsames Projekt hinweisen.
An Franz Overbeck ( 30.07.1881)Ich bin ganz erstaunt, ganz entzückt! Ich habe einen Vorgänger und was für einen! Ich kannte Spinoza fast nicht: daß mich jetzt nach ihm verlangte, war eine »Instinkthandlung«. Nicht nur, daß seine Gesamttendenz gleich der meinen ist – die Erkenntnis .. "des Guten und Schlechten (Spinoza)" zum mächtigsten Affekt zu machen –, in fünf Hauptpunkten seiner Lehre finde ich mich wieder
Beide , also sowohl Nietzsche , wie auch Spinoza ( als eben dieser Vorgänger) haben die „moralischen“ Kategorien von „Gut und Böse“ mit den Affekten verknüpft. Was alles andere , als denn selbstverständlich ist . Auch noch heute. Weil es den Rahmen dieses Threads thematisch sprengt , werde ich dem nächst hier im Forum, in dem Bereich „Allgemein/Philosophie“ einen Thread zu Spinoza anlegen.
Ich habe mir übrigens erlaubt Nietzsches Zitat durch „Gut und Schlecht“ von Spinoza zu ergänzen und in beiden Zitaten das Wort „Erkenntnis“ mit roter Farbe nochmal hervorgehoben. Ganz so wie man es bei Plagiat tun würde und um auf diese Weise noch mal das gemeinsame Projekt von Nietzsche und Spinoza zu unterstreichen.
Zitat von PS am 9. April 2022, 23:37 UhrSpinoza ist ein Denker der frühen Aufklärungszeit und ein liberaler Vordenker der bürgerlichen Revolutionen, Nietzsche lebt in einer anderen Zeit und hat ein anderes Projekt.
Ist das so ? Hat Nietzsche tatsächlich ein anderes Projekt als Nietzsche? Zur Beantwortung dieser Frage greife ich einmal auf die nun folgenden Zitate von Spinoza und Nietzsche zurück ..
Achter Lehrsatz
Die Erkenntnis des Guten und Schlechten ist nichts anderes als der Affekt der Lust oder Unlust, sofern wir uns desselben bewußt sind.
Spinoza .. Über die menschliche Unfreiheit oder die Macht der Affekte
– kurz, die Moralen sind auch nur eine Zeichensprache der Affekte.
Friedrich Nietzsche .. Jenseits von Gut und Böse
Zitate , die , wenn man sie denn wie folgt aneinander reiht . ..
Die Erkenntnis des Guten und Schlechten ist nichts anderes als der Affekt der Lust oder Unlust, sofern wir uns desselben bewußt sind.– kurz, die Moralen sind auch nur eine Zeichensprache der Affekte.
.. sich auf das Hervorragendste ergänzen und somit zumindest diesbezüglich auf ein gemeinsames Projekt hinweisen.
An Franz Overbeck ( 30.07.1881)Ich bin ganz erstaunt, ganz entzückt! Ich habe einen Vorgänger und was für einen! Ich kannte Spinoza fast nicht: daß mich jetzt nach ihm verlangte, war eine »Instinkthandlung«. Nicht nur, daß seine Gesamttendenz gleich der meinen ist – die Erkenntnis .. "des Guten und Schlechten (Spinoza)" zum mächtigsten Affekt zu machen –, in fünf Hauptpunkten seiner Lehre finde ich mich wieder
Beide , also sowohl Nietzsche , wie auch Spinoza ( als eben dieser Vorgänger) haben die „moralischen“ Kategorien von „Gut und Böse“ mit den Affekten verknüpft. Was alles andere , als denn selbstverständlich ist . Auch noch heute. Weil es den Rahmen dieses Threads thematisch sprengt , werde ich dem nächst hier im Forum, in dem Bereich „Allgemein/Philosophie“ einen Thread zu Spinoza anlegen.
Ich habe mir übrigens erlaubt Nietzsches Zitat durch „Gut und Schlecht“ von Spinoza zu ergänzen und in beiden Zitaten das Wort „Erkenntnis“ mit roter Farbe nochmal hervorgehoben. Ganz so wie man es bei Plagiat tun würde und um auf diese Weise noch mal das gemeinsame Projekt von Nietzsche und Spinoza zu unterstreichen.
Zitat von Seiltaenzery am 26. Juli 2023, 22:46 UhrZitat von PS am 9. April 2022, 23:37 UhrHm, die Einigkeit bezieht sich ja nur auf auf das Frühwerk ... Niemand aus Nietzsches Freundeskreis vermochte es, seinen späteren Schriften noch zu folgen, auch Overbeck nicht. Er war vor seinem geistigen Zusammenbruch nahezu isoliert.
Dazu passend aus "Der Einsiedler redet .. und die Konsequenzen"
Zitat von Seilteanzery am 26. Juli 2023, 22:11 Uhr
Ah, wie leicht ist doch dieser Nietzsche zu verdauen!
Das Frühwerk von Nietzsche ist sicherlich sehr viel leichter zu verdauen , als seine späten Schriften. Unter Berücksichtigungs Spinozas , hier dazu einmal, die zeitliche Abfolge seiner Schrifften ...
Erstdrucke: Chemnitz (E. Schmeitzner) 1878
Der Baum der Menschheit und die Vernunft. – Das, was ihr als Übervölkerung der Erde in greisenhafter Kurzsichtigkeit fürchtet, gibt dem Hoffnungsvolleren eben die große Aufgabe in die Hand: die Menschheit soll einmal ein Baum werden, der die ganze Erde überschattet, mit vielen Milliarden von Blüten, die alle nebeneinander Früchte werden sollen, und die Erde selbst soll zur Ernährung dieses Baumes vorbereitet werden.
Friedrich Nietzsche .. Menschliches , Allzumenschliches
An Franz Overbeck ( 30.07.1881)
Ich bin ganz erstaunt, ganz entzückt! Ich habe einen Vorgänger und was für einen! Ich kannte Spinoza fast nicht: daß mich jetzt nach ihm verlangte, war eine »Instinkthandlung«. Nicht nur, daß seine Gesamttendenz gleich der meinen ist – die Erkenntnis zum mächtigsten Affekt zu machen –, in fünf Hauptpunkten seiner Lehre finde ich mich wieder,
Erstdrucke: Chemnitz (E. Schmeitzner) 1883
Wahrlich, ein schmutziger Strom ist der Mensch. Man muß schon ein Meer sein, um einen schmutzigen Strom aufnehmen zu können, ohne unrein zu werden. ...Seht, ich lehre euch den Übermenschen: der ist dieser Blitz, der ist dieser Wahnsinn
Spätsommer und Herbst 1888
Wir haben umgelernt. Wir sind in allen Stücken bescheidner geworden. Wir leiten den Menschen nicht mehr vom »Geist«, von der »Gottheit« ab, wir haben ihn unter die Tiere zurückgestellt. Er gilt uns als das stärkste Tier, weil er das listigste ist: eine Folge davon ist seine Geistigkeit. Wir wehren uns andrerseits gegen eine Eitelkeit, die auch hier wieder laut werden möchte: wie als ob der Mensch die große Hinterabsicht der tierischen Entwicklung gewesen sei. Er ist durchaus keine Krone der Schöpfung: jedes Wesen ist, neben ihm, auf einer gleichen Stufe der Vollkommenheit... Und indem wir das behaupten, behaupten wir noch zuviel: der Mensch ist, relativ genommen, das mißratenste Tier, das krankhafteste, das von seinen Instinkten am gefährlichsten abgeirrte – freilich, mit alledem, auch das interessanteste! –
Was Nietzsches Ansicht über den Menschen betrifft , so kommt man in Anbetracht dessen wohl nicht um hin zu konstatieren , dass sich sein Frühwerk signifikant von seinen späteren Schriften unterscheidet.
Zitat von PS am 9. April 2022, 23:37 UhrHm, die Einigkeit bezieht sich ja nur auf auf das Frühwerk ... Niemand aus Nietzsches Freundeskreis vermochte es, seinen späteren Schriften noch zu folgen, auch Overbeck nicht. Er war vor seinem geistigen Zusammenbruch nahezu isoliert.
Dazu passend aus "Der Einsiedler redet .. und die Konsequenzen"
Zitat von Seilteanzery am 26. Juli 2023, 22:11 Uhr
Ah, wie leicht ist doch dieser Nietzsche zu verdauen!
Das Frühwerk von Nietzsche ist sicherlich sehr viel leichter zu verdauen , als seine späten Schriften. Unter Berücksichtigungs Spinozas , hier dazu einmal, die zeitliche Abfolge seiner Schrifften ...
Erstdrucke: Chemnitz (E. Schmeitzner) 1878
Der Baum der Menschheit und die Vernunft. – Das, was ihr als Übervölkerung der Erde in greisenhafter Kurzsichtigkeit fürchtet, gibt dem Hoffnungsvolleren eben die große Aufgabe in die Hand: die Menschheit soll einmal ein Baum werden, der die ganze Erde überschattet, mit vielen Milliarden von Blüten, die alle nebeneinander Früchte werden sollen, und die Erde selbst soll zur Ernährung dieses Baumes vorbereitet werden.
Friedrich Nietzsche .. Menschliches , Allzumenschliches
An Franz Overbeck ( 30.07.1881)
Ich bin ganz erstaunt, ganz entzückt! Ich habe einen Vorgänger und was für einen! Ich kannte Spinoza fast nicht: daß mich jetzt nach ihm verlangte, war eine »Instinkthandlung«. Nicht nur, daß seine Gesamttendenz gleich der meinen ist – die Erkenntnis zum mächtigsten Affekt zu machen –, in fünf Hauptpunkten seiner Lehre finde ich mich wieder,
Erstdrucke: Chemnitz (E. Schmeitzner) 1883
Wahrlich, ein schmutziger Strom ist der Mensch. Man muß schon ein Meer sein, um einen schmutzigen Strom aufnehmen zu können, ohne unrein zu werden. ...Seht, ich lehre euch den Übermenschen: der ist dieser Blitz, der ist dieser Wahnsinn
Spätsommer und Herbst 1888
Wir haben umgelernt. Wir sind in allen Stücken bescheidner geworden. Wir leiten den Menschen nicht mehr vom »Geist«, von der »Gottheit« ab, wir haben ihn unter die Tiere zurückgestellt. Er gilt uns als das stärkste Tier, weil er das listigste ist: eine Folge davon ist seine Geistigkeit. Wir wehren uns andrerseits gegen eine Eitelkeit, die auch hier wieder laut werden möchte: wie als ob der Mensch die große Hinterabsicht der tierischen Entwicklung gewesen sei. Er ist durchaus keine Krone der Schöpfung: jedes Wesen ist, neben ihm, auf einer gleichen Stufe der Vollkommenheit... Und indem wir das behaupten, behaupten wir noch zuviel: der Mensch ist, relativ genommen, das mißratenste Tier, das krankhafteste, das von seinen Instinkten am gefährlichsten abgeirrte – freilich, mit alledem, auch das interessanteste! –
Was Nietzsches Ansicht über den Menschen betrifft , so kommt man in Anbetracht dessen wohl nicht um hin zu konstatieren , dass sich sein Frühwerk signifikant von seinen späteren Schriften unterscheidet.