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"Nietzsche als Denker der individuellen Befreiung"

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Zitat von PS am 11. August 2021, 9:14 Uhr

Was heißt "kulturelle Blüte" genau? Für mich vor allem, dass innovative neue Ideen entwickelt werden in großer Zahl.

..nun ja  ..

  • "Diese Schwachen – irgendwann einmal nämlich wollen auch sie die Starken sein, es ist kein Zweifel, irgendwann soll auch ihr »Reich« kommen – »das Reich Gottes« heißt es schlechtweg bei ihnen, wie gesagt: man ist ja in allem so demütig! Schon um das zu erleben, hat man nötig, lange zu leben, über den Tod hinaus – ja man hat das ewige Leben nötig, damit man sich auch ewig im »Reiche Gottes« schadlos halten kann für jenes Erden-Leben »im Glauben, in der Liebe, in der Hoffnung«. Schadlos wofür? Schadlos wodurch?"
  • Friedrich  Nietzsche  .. Zur Genealogie der Moral

 

.. das     "seiner  Zeit"  die  Schwachen   daran   glaubten,      für   jenes   schlechte  Leben    auf  Erden , sich  über  den  Tod   hinaus   im »Reiche Gottes«   schadlos  halten  zu   können , war  sicherlich  nicht  die  schlechteste innovative neue Idee des Christentums . Insbesondre  fürderhin    im   Vergleich   zu   der    innovative neuen Idee   von  Nietzsche.   Nach zu lesen   bei   seinem  Zarathustra.

Zitat von Jonas am 24. April 2020, 21:45 Uhr

Ich frage mich immer wie es sein kann, dass Nietzsche so stark dazu neigte die Individualität nur einzelnen "wohlgeratenen" Individuen zuzugestehen.

Das   Erkennen dieser  innovativen neuen Idee    gestehe  ich  übrigens   tatsächlich   nur "wohlgeratenen" Individuen   zu.

.. "wohlgeratenen" Individuen , die  ..  so   zumindest  meine Meinung  ..  sich  dadurch    auszeichnen  , dass sie  diese  drei Verwandlungen des Geistes, die euch  Nietzsche  hier  nennt , vollzogen  haben.

  • Vieles Schwere gibt es dem Geiste, dem starken, tragsamen Geiste, dem Ehrfurcht innewohnt: nach dem Schweren und Schwersten verlangt seine Stärke.
  • Was ist schwer? so fragt der tragsame Geist, so kniet er nieder, dem Kamele gleich, und will gut beladen sein.

Wobei aus  naheliegenden Gründen  nahezu  alle ,  schon bei  dieser     ersten   , der  drei  Verwandlungen   scheitern ,

  • Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen.
  • Ja, zum spiele des Schaffens, meine Brüder, bedarf es eines heiligen Ja-sagens: seinen Willen will nun der Geist, seine Welt gewinnt sich den Weltverlorene.
  • Friedrich Nietzsche .. Also sprach Zarathustra

Ist   es   doch  um   sovieles  einfacher ,   dergleichend    auslassend  ,  "im  Spiele   des  Schaffens" ,  gleich  mit  seinen   "neue  Ideen"    zu   glänzen.

 

und  so  merke

Ohne  das   man   als   tragsamer  Geist   gut beladen  sein   will ,  ist  eine  individuelle  Befreiung  und sind in   Folge   dessen  neue innonvative  ..   wohlgemerkt    wahrhaftige!  ..  Ideen     nicht  zu   haben. 

Genau, an vielen Stellen gesteht Nietzsche auch dem Christentum eine gewisse kulturelle Größe zu, genau - einer (anfangs) demokratisch-egalitären Bewegung von unten! - Die "aristokratische" Kultur Roms war morsch und verfault - das Christentum bewahrte sie vor dem Kollaps und führte sie schließlich zu einer Renaissance.

"Eine Partei des Lebens, vielfältig und diffus wie das Leben selbst, doch klaren Sinnes und von eiserner Disziplin, leidenschaftlich und volkstümlich, von Nietzscheschem Geist und von Marxen geschweißt, wird eine Gewalt sein, die alle Trumps und Macrons, alle Jinpings und alle von der Leyens, alle Bezos und Zuckerbergs, alle Sellners und Gaulands, alle Oligarchen und Ölscheichs hinwegfegen [...] wird." (Paul Stephan, Die Linke neu leben)
Zitat von PS am 19. August 2021, 1:25 Uhr

Genau, an vielen Stellen gesteht Nietzsche auch dem Christentum eine gewisse kulturelle Größe zu, genau - einer (anfangs) demokratisch-egalitären Bewegung von unten! - Die "aristokratische" Kultur Roms war morsch und verfault - das Christentum bewahrte sie vor dem Kollaps und führte sie schließlich zu einer Renaissance.

 

  • Eine lange, allzulange Reihe von Jahren bedeutet bei mir Genesung – sie bedeutet leider auch zugleich Rückfall, Verfall, Periodik einer Art décadence. Brauche ich, nach alledem, zu sagen, daß ich in Fragen der décadence erfahren bin? Ich habe sie vorwärts und rückwärts buchstabiert. Selbst jene Filigran-Kunst des Greifens und Begreifens überhaupt, jene Finger für nuances, jene Psychologie des »Um-die-Ecke-sehns« und was sonst mir eignet, ward damals erst erlernt, ist das eigentliche Geschenk jener Zeit, in der alles sich bei mir verfeinerte, die Beobachtung selbst wie alle Organe der Beobachtung. Von der Kranken-Optik aus nach gesünderen Begriffen und Werten, und wiederum umgekehrt aus der Fülle und Selbstgewißheit des reichen Lebens hinuntersehn in die heimliche Arbeit des Décadence-Instinkts – das war meine längste Übung, meine eigentliche Erfahrung, wenn irgendworin wurde ich darin Meister. Ich habe es jetzt in der Hand, ich habe die Hand dafür, Perspektiven umzustellen: erster Grund, weshalb für mich allein vielleicht eine »Umwertung der Werte« überhaupt möglich ist.
  • Friedrich Nietzsche .. Ecce Homo

Ich   würde vielmehr   sagen , um   hier  ein Begriff   von Nietzsche  zu  verwenden , dass   die "aristokratische" Kultur Roms decadent war.  Wenn   man diese Dekadenz    an den  Grenzanlagen  wie  dem Limes oder  dem Hadrianswall  festmacht  , so   dürfte  uns dergleichen übrigens  allzu bekannt vorkommen.  Ganz  abgesehen davon ,   dass  der  s.g. Westen ,  es   in der  Hand  hat,   wahrlich nicht nur   diesbezüglich , seine  ..  "Perspektiven umzustellen" .  

Offenbar   hat  das mit   den  "drei Verwandlunge des Geistes" ,  bezüglich  der neuen inovativen  Idee Nietsches ,   bei dir nicht gezündet.  Was  mich  allerdings  auch nicht  wundert , bei dem   wie du  dich   bei    deiner bzw.  deinen  Nietzscherezeptionen, von  selbiger    m.E . entfernt  hast und so komme ich nochmal  auf  deine Frage  zurück  "Was heißt "kulturelle Blüte" genau?" und versuche einmal  unter  Bezugnahme  auf Nietzsche eine  Antwort .

Zitat von PS am 11. August 2021, 9:14 Uhr

Aber man muss natürlich fragen: Was heißt "kulturelle Blüte" genau? Für mich vor allem, dass innovative neue Ideen entwickelt werden in großer Zahl.

  • Das Wesentliche an einer guten und gesunden Aristokratie ist aber, daß sie sich nicht als Funktion (sei es des Königtums, sei es des Gemeinwesens), sondern als dessen Sinn und höchste Rechtfertigung fühlt – daß sie deshalb mit gutem Gewissen das Opfer einer Unzahl Menschen hinnimmt, welche um ihretwillen zu unvollständigen Menschen, zu Sklaven, zu Werkzeugen herabgedrückt und vermindert werden müssen. Ihr Grundglaube muß eben sein, daß die Gesellschaft nicht um der Gesellschaft willen da sein dürfe, sondern nur als Unterbau und Gerüst, an dem sich eine ausgesuchte Art Wesen zu ihrer höheren Aufgabe und überhaupt zu einem höheren Sein emporzuheben vermag: vergleichbar jenen sonnensüchtigen Kletterpflanzen auf Java – man nennt sie Sipo Matador –, welche mit ihren Armen einen Eichbaum so lange und oft umklammern, bis sie endlich, hoch über ihm, aber auf ihn gestützt, in freiem Lichte ihre Krone entfalten und ihr Glück zur Schau tragen können.
  • Friedrich Nietzsche .. Jenseits von Gut und Böse

... für  Nietzsche  heißt "kulturelle Blüte"  ,  dass   eine  Gesellschaft nicht um der Gesellschaft willen da sein dürfe, sondern nur als Unterbau und Gerüst, an dem sich eine ausgesuchte Art Wesen zu ihrer höheren Aufgabe und überhaupt zu einem höheren Sein emporzuheben vermag.  Unter Umständen  ausgesuchte Art Wesen..   mit  ihren neuen inovativen  Ideen! .  Somit    Nietzsches  Interpreation einer "kulturelle Blüte"  deine def acto  mit einschließt. Gleichwohl  ..  machen  wir  uns da nichts vor  .. auch  bei diesen ausgesuchten Wesen  , mit ihren famosen Ideen  reden   wir von einer Aristokratie   ..

  • Aristokratie
  • – früher auch Bestherrschaft[1] – bezeichnet in der Politikwissenschaft die Herrschaft einer kleinen Gruppe besonders befähigter Individuen, wobei die Art der Befähigung nicht näher bestimmt ist

Zumindest wenn  diese   Wesen,  sich   auf Grund  ihrer Ideen in  irgeneiner  Weise, sei es  nun  als Politker ,   als  Unternehmer ,  Wissenschaftler , .. "mit gutem Gewissen das Opfer einer Unzahl Menschen hinehmen , welche um ihretwillen zu unvollständigen Menschen, zu Sklaven, zu Werkzeugen herabgedrückt und vermindert werden müssen (Nietzsche)"

Wie wollte  man auch  sonst seine  Ideen in  die Praxis  umsetzen , wenn  man   sich  nicht  eines  solchen "Unterbaus und Gerüsts" bedient. Wenn gleich   das  Herabdrücken  und Vermindern zu Sklaven ,  sich  wohl eher  nicht  mit gutem Gewissen  vereinbaren lässt.

Basis und Überbau

Karl Marx sagt im Vorwort Zur Kritik der politischen Ökonomie von 1859:

  • „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte notwendige von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen.

..-  diese  "reale Basis"   würde  übrigens    m.E. perfekt   zu  dem passen , was  Nietzsche   als  "Unterbau und Gerüst" bezeichnet   . Um  diese Schnittmenge ,  zwischen Nietzsche und  Marx,   nochmal hervor zuheben ,    habe  ich in  beiden  Zitaten   diese  Stichwörter  rot markiert.

Aber für Marx ist an dem "Überbau" ja nichts toll, er ist im Gegenteil ein zu kritisierendes Gespensterreich. Man muss sich der Basis zuwenden. Für Nietzsche hingegen ist der "Unterbau" nichts und der Überbau alles.

Nietzsche ist da ganz im Geniekult seiner Zeit befangen, das sind doch alles abenteuerliche Konstruktionen, die er da auffährt, um soziale Unterdrückung zu rechtfertigen. Und genau in diesem Geniekult steckt doch das faschistische Potential Nietzsches!

Aus meiner Sicht hat Nietzsche die "drei Verwandlungen" nicht konsequent durchlaufen, indem er solchen lächerlichen Illusionen anhängt, in dieser Hinsicht die "Götzen" seiner Zeit überhaupt nicht zertrümmert, sondern ihnen noch vollkommen aufsitzt. - Und du scheinst mir da auch kein besonders "freier Geist" zu sein.

"Eine Partei des Lebens, vielfältig und diffus wie das Leben selbst, doch klaren Sinnes und von eiserner Disziplin, leidenschaftlich und volkstümlich, von Nietzscheschem Geist und von Marxen geschweißt, wird eine Gewalt sein, die alle Trumps und Macrons, alle Jinpings und alle von der Leyens, alle Bezos und Zuckerbergs, alle Sellners und Gaulands, alle Oligarchen und Ölscheichs hinwegfegen [...] wird." (Paul Stephan, Die Linke neu leben)
Zitat von PS am 14. September 2021, 4:46 Uhr

Aber für Marx ist an dem "Überbau" ja nichts toll, er ist im Gegenteil ein zu kritisierendes Gespensterreich. Man muss sich der Basis zuwenden. Für Nietzsche hingegen ist der "Unterbau" nichts und der Überbau alles.

Mitnichten

Eine hohe Kultur ist eine Pyramide: sie kann nur auf einem breiten Boden stehn, sie hat zu allererst eine stark und gesund konsolidierte Mittelmäßigkeit zur Voraussetzung. Das Handwerk, der Handel, Ackerbau, die Wissenschaft, der größte Teil der Kunst, der ganze Inbegriff der Berufstätigkeit mit einem Wort, verträgt sich durchaus nur mit einem Mittelmaß im Können und Begehren;

Fiedrich Nietzsche   .. Der Antichrist

In  dem  eine hohe Kultur  eine Pyramide ist , die nur  auf  einem  breiten Boden stehen  kann, ist für  Nietzsche  vielmehr  der  Unterbau alles.   Ohne  diese gesund konsolidierte Mittelmäßigkeit  ist vielmehr  der Überbau  nichts

 

 

Zitat von PS am 14. September 2021, 4:46 Uhr

Nietzsche ist da ganz im Geniekult seiner Zeit befangen, das sind doch alles abenteuerliche Konstruktionen, die er da auffährt, um soziale Unterdrückung zu rechtfertigen. Und genau in diesem Geniekult steckt doch das faschistische Potential Nietzsches!

 

  • .Für den Mittelmäßigen ist mittelmäßig sein ein Glück; die Meisterschaft in einem, die Spezialität ein natürlicher Instinkt. Es würde eines tieferen Geistes vollkommen unwürdig sein, in der Mittelmäßigkeit an sich schon einen Einwand zu sehn. Sie ist selbst die erste Notwendigkeit dafür, daß es Ausnahmen geben darf: eine hohe Kultur ist durch sie bedingt.
  • Fiedrich Nietzsche   .. Der Antichrist

..  und   wenn  man denn   das  Genie   als  jene   Ausnahmen  bezeichnet  ,    die es  ..  so   Nietzsche  ..  geben darf ,   so  ist  dieser Unterbau der  Mittelmäßigen   die erste  Voraussetzung   dafür , dass sich Genies  ,  gleich den  sonnensüchtigen Kletterpflanzen auf Java ,an  einem Eichenbaum,  in freiem Lichte ihrer Krone,  entfalten kann ...

Das Wesentliche an einer guten und gesunden Aristokratie ist aber, daß sie sich nicht als Funktion (sei es des Königtums, sei es des Gemeinwesens), sondern als dessen Sinn und höchste Rechtfertigung fühlt – daß sie deshalb mit gutem Gewissen das Opfer einer Unzahl Menschen hinnimmt, welche um ihretwillen zu unvollständigen Menschen, zu Sklaven, zu Werkzeugen herabgedrückt und vermindert werden müssen. Ihr Grundglaube muß eben sein, daß die Gesellschaft nicht um der Gesellschaft willen da sein dürfe, sondern nur als Unterbau und Gerüst, an dem sich eine ausgesuchte Art Wesen zu ihrer höheren Aufgabe und überhaupt zu einem höheren Sein emporzuheben vermag: vergleichbar jenen sonnensüchtigen Kletterpflanzen auf Java – man nennt sie Sipo Matador –, welche mit ihren Armen einen Eichbaum so lange und oft umklammern, bis sie endlich, hoch über ihm, aber auf ihn gestützt, in freiem Lichte ihre Krone entfalten und ihr Glück zur Schau tragen können.

Friedrich Nietzsche .. Jenseits von Gut und Böse

Ohne  einen solchen   eichernen   Unterbau und Gerüst  ,   ist  es diesen   ausgesuchte Art Wesen  unmöglich ,  sich    zu einem höheren Sein  empor zu heben.

 

 

  • Wen hasse ich unter dem Gesindel von Heute am besten? Das Sozialisten-Gesindel, die Tschandala-Apostel, die den Instinkt, die Lust, das Genügsamkeits-Gefühl des Arbeiters mit seinem kleinen Sein untergraben – die ihn neidisch machen, die ihn Rache lehren...
  • Friedrich Nietzsche .. Jenseits von Gut und Böse

Wenn Nietzsche  das Sozialisten-Gesindel  hasst  , dann deshalb   weil    sie  den Arbeiter  einreden  , sie   wären als   Klasse  zu  Höherem  berufen. Das  sind sie genau so wenig  bzw.  viel  , wie das sie   zu  ausgesuchte Art Wesen ,  geschweige denn zum Genie berufen sind. Ihr  Glück  ist die  Mittelmäßigkeit. Das  ist ihre Meisterschaft  und  Spezialität  in   einem , Das ist  ihr   natürlicher Instinkt.  

Das Wesentliche an einer guten und gesunden Aristokratie ist aber, daß sie sich nicht als Funktion (sei es des Königtums, sei es des Gemeinwesens), sondern als dessen Sinn und höchste Rechtfertigung fühlt – daß sie deshalb mit gutem Gewissen das Opfer einer Unzahl Menschen hinnimmt, welche um ihretwillen zu unvollständigen Menschen, zu Sklaven, zu Werkzeugen herabgedrückt und vermindert werden müssen.

Friedrich Nietzsche .. Jenseits von Gut und Böse

Ein "vollständiger Arbeiter"    wird   erst dann    zu   einen  "unvollständigen Menschen"  ,   wenn  du  ihm einredest ,    dass   er   von  Hause   aus  an die    Spitze  der Pyramide  gehört.     Insofern  ich  vielmehr  von   einem Herabdrücken zu einem  vollständigen  Menschen sprechen   würde.

Eine hohe Kultur ist eine Pyramide: sie kann nur auf einem breiten Boden stehn, sie hat zu allererst eine stark und gesund konsolidierte Mittelmäßigkeit zur Voraussetzung. Das Handwerk, der Handel, Ackerbau, die Wissenschaft, der größte Teil der Kunst, der ganze Inbegriff der Berufstätigkeit mit einem Wort, verträgt sich durchaus nur mit einem Mittelmaß im Können und Begehren;

Fiedrich Nietzsche   .. Der Antichrist

Wenn  die Aristokratie  meint  , die  "Berufstätigkeit"   eines  Arbeiters  mit  "guten Gewissen"   ,  zu Sklaven, zu Werkzeugen herabdrücken und vermindert zu  müssen"  ,   so   hat    das  ganz  sicher nichts  mit  einer "gesund konsolidierte Mittelmäßigkeit" zu tun . Ganz   im  Gegenteil.  Ich denke   mal , da  war  Nietzsche  noch ganz   Kind   seiner  Zeit .  Einer  Zeit  , wo  der Manchesterkapitalismus  noch hoch  in Blüte stand. Dazu  Anmerkung von Walter Jens .( 31:44 Min)

 

  • ".. zur gleiche zeit lebte in Hinterpommern eine Frau , die ihre Wohnung morgens um vier Uhr verließ , mit dem Waschbottich unter dem Arm , um zur Arbeit zu gehen. Heimkehr 11 Uhr Abends .Verdienst 70 Pfennig Und wie  diese Frau, die für Millionen andere steht, hat die Mehrheit der Bevölkerung gelebt . Daran sollte man denken .. Nietzsche war blind ,nicht nur im physischen Sinn . Er war Wirklichkeitsblind . . .. Walter Jens "

Nietzsche     hat  sehr wohl die Wirklichkeit  dieser Frau  in Hinterpommern    gesehen und sich dessen womöglich sogar geschämt.  Als  solches  ich  die  Assoziation   einer "guten und gesunden" Aristokratie ,  die mit "gutem Gewissen"   Menschen   zu  Sklaven und  Werkzeugen herabdrückt und  vermindert  "  als Zynismus bezeichnen  würde. Da ist , so  zumindest   meine Meinung , der Possenreißer  Nietzsche  ,  ohne Scham,   laut geworden ..

 

 

  • Zynismus ist die einzige Form, in der gemeine Seelen an das streifen, was Redlichkeit ist; und der höhere Mensch hat bei jedem gröberen und feineren Zynismus die Ohren aufzumachen und sich jedesmal Glück zu wünschen, wenn gerade vor ihm der Possenreißer ohne Scham oder der wissenschaftliche Satyr laut werden.
  • Friedrich Nietzsche .. Jenseits von Gut und Böse

Denn daß ich den Leidenden leidend sah, dessen schämte ich mich um seiner Scham willen; und als ich ihm half, da verging ich mich hart an seinem Stolze... Ich aber bin ein Schenkender: gerne schenke ich, als Freund den Freunden. Fremde aber und Arme mögen sich die Frucht selber von meinem Baume pflücken: so beschämt es weniger.

Friedrich Nietzscher   Also sprach Zarathustra

Wie   schön ,   dass     sich  mittlerweile    die   fremden und armen    Arbeiter ,   über die  Gewerkschaften  und  nicht zuletzt  in  der  Funktion  als    Wähler von politischen Parteien  ,  ermöglicht wird    , sich  selber  die  Früchte, vom Baum  dieser  " guten und gesunden" Aristokratie    zu pflücken. So   wird  das "gute Gewissen" der  Aristokratie  weniger beschämt .

Wie  schön  , so  Walter Jens  im o.g. Video ,  unmittelbar  nach dem er  Nietzsche zum Wirklichkeitsblinden   erklärt  hat , dass  man  ..  ich zitiere ..  Nietzsche auch anders lesen kann.

 

Danke für den Link zur Doku, die ich noch nicht kannte. Walter Jens kommt da meinem eigenen Standpunkt recht nahe.

"Eine Partei des Lebens, vielfältig und diffus wie das Leben selbst, doch klaren Sinnes und von eiserner Disziplin, leidenschaftlich und volkstümlich, von Nietzscheschem Geist und von Marxen geschweißt, wird eine Gewalt sein, die alle Trumps und Macrons, alle Jinpings und alle von der Leyens, alle Bezos und Zuckerbergs, alle Sellners und Gaulands, alle Oligarchen und Ölscheichs hinwegfegen [...] wird." (Paul Stephan, Die Linke neu leben)
Zitat von PS am 10. April 2022, 2:08 Uhr

Danke für den Link zur Doku, die ich noch nicht kannte. Walter Jens kommt da meinem eigenen Standpunkt recht nahe.

.. und  was  soll das  für  ein Standpunkt  doch gleich sein ? Für Nietzsche gibt es nur zwei Standpunkte ..

 

Die Sorglichsten fragen heute: »wie bleibt der Mensch erhalten?« Zarathustra aber fragt als der einzige und erste: »wie wird der Mensch überwunden?«

Friedrich Nietzsche .. Also sprach Zarathustra

 

.. und zwar zum Einem den Standpunkt dieser Sorglichsten , als da wäre die „Sorge“ um den Erhalt der Menschheit und zum Anderen, mit der Überwindung des Menschen , den Standpunkt Zarathustras.

Der Übermensch liegt mir am Herzen, der ist mein erstes und einziges – und nicht der Mensch: nicht der Nächste, nicht der Ärmste, nicht der Leidendste, nicht der Beste.

Friedrich Nietzsche .. Also sprach Zarathustra

 

Oder anders gefragt . Liegen   dir  die  Menschen  , der Nächste , die Ärmsten , die  Leidendsten , die  Besten  am Herzen und oder mit dem Übermenschen , die Überwindung von all dem?

Heute nämlich wurden die kleinen Leute Herr: die predigen alle Ergebung und Bescheidung und Klugheit und Fleiß und Rücksicht und das lange Und-so-weiter der kleinen Tugenden.

Was von Weibsart ist, was von Knechtsart stammt und sonderlich der Pöbel-Mischmasch: Das will nun Herr werden alles Menschen-Schicksals – o Ekel! Ekel! Ekel!

Das frägt und frägt und wird nicht müde: »wie erhält sich der Mensch, am besten, am längsten, am angenehmsten?« Damit – sind sie die Herren von heute.

Friedrich Nietzsche .. Also sprach Zarathustra

Gehörst du mit deinem Standpunkt zu diesen „kleinen Leuten“   .,. oder ..

 

Überwindet mir, ihr höheren Menschen, die kleinen Tugenden, die kleinen Klugheiten, die Sandkorn-Rücksichten, den Ameisen-Kribbelkram, das erbärmliche Behagen, das »Glück der meisten« –!

Und lieber verzweifelt, als daß ihr euch ergebt. Und, wahrlich, ich liebe euch dafür, daß ihr heute nicht zu leben wißt, ihr höheren Menschen! So nämlich lebt ihr – am besten!

Friedrich Nietzsche .. Also sprach Zarathustra

 

.. oder .. zu diesen „höheren Menschen“ ?   Das ,  was  diese   höheren Menschen   vollziehen,  das  versteht übrigens Nietzsche unter "individuelle Befreiung"   , um auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen.

 

 

 

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