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Wie man mit der «Umwertung aller Werte» ernst macht ..

Auch Nietzsche warf der modernen Kultur ihre Dekadenz und ihren Hang zur Maskerade vor , doch beurteilte er sie ambivalent. Hesse kritisiert nun seine modernistischen Schüler, er bringt den Modernekritiker Nietzsche gegen den Nietzschekult in Anschlag. Was daraus folgen muss , ist , sich nicht mehr in einer ästhetizitisch- ironischen Position innerhalb der bürgerlichen Kultur zu gefallen, sondern wirklich ernst mit Nietzsches Forderung«Umwertung aller Werte» zu machen und aus dieser Kultur auszubrechen - was Hesse freilich nicht primär als kollektiven, sondern vor allem individuellen Prozess vorstellt , als ein einsames Aussteigertum.

Paul Stephan .. Links Nietzscheanismus Band S. 79

Bezüglich der s.g. Ersten Welle ist mir dieser Hinweis , auf einen „individuellen Prozess“ , aufgefallen. Insbesondere im Zusammenhang mit Nietzsches Forderung «Umwertung aller Werte» und nicht zu vergessen einem Hang der modernen Kultur zur Maskerade.

 

Und doch betont er (Nietzsche ) stets die Gewaltsamkeit und Grausamkeit der des Willens zur Macht , spricht etwa von «formbildende[n] und vergewaltigende[n] Natur dieser Kraft» (ebd.) und schreibt :

  • Die «Ausbeutung» gehört nicht einer verderbten oder unvollkommenen und primitiven Gesellschaft an, sie gehört in `s Wesen des Lebendigen, als organische Grundfunktion, sie ist einen Folge des eigentlichen Willens zur Macht, der eben der Wille des Lebens ist Paul Stephan ..

Links Nietzscheanismus Band1 S.90..91

 

Weil andernorts bereits davon die Rede war , beziehe ich einmal dabei nochmal auf die Ausbeutung.

Ist es nicht tatsächlich so , dass die modernen Kultur die Ausbeutung vor allem einer verderbten und unvollkommenen und primitiven Gesellschaft zuschreibt? Gehört  sie anstatt dessen nicht tatsächlich..  ins Wesen des Lebendigen , als organische Grundfunktion ? Würde man mit  Letzterem  nicht genau das  vollziehen , was Nietzsche fordert und zwar eine «Umwertung aller Werte»?

Bedient sich ´nicht auch .. als solches!  . und  zwar  als organische Grundfunktion  ,   die moderne Kultur  der Ausbeutung?

So das sie sich im Grunde selbst  als unvollkommene und primitive Gesellschaft demaskiert?

 

Der ökologische Fußabdruck

Gibt es zu viele Menschen auf der Erde oder leben wir einfach über unsere Verhältnisse? Sicher ist: Würden alle so leben wie wir Deutschen, bräuchten wir zweieinhalb Planeten. Wer von uns die Erde wie stark beansprucht – der ökologische Fußabdruck bringt es ans Licht.

..

.. beispielsweise eine unvollkommene und primitive Gesellschaft , die rücksichtslos die begrenzten Ressourcen unseres Planeten ausbeutet.

Grausame Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie in Bangladesch & anderen Billiglohnländern

Der Textilmarkt ist heiß umkämpft. Der ständige Preisdruck zwingt Unternehmen zu immer drastischeren Maßnahmen. Das alles geht auf Kosten der Arbeiter und Näher, in den Billig-Nähstuben der Welt, die das mit menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen bezahlen. So spart sich die Textilindustrie in Bangladesch und anderen Ländern einfach die Sicherheitsmaßmaßnahmen und bezahlt den Nähern einen Hungerlohn. All das für billige Endverbraucherpreise in Europa.

 

.. oder auch eine unvollkommene und primitive Gesellschaft , die ihre billigen Endverbraucherpreise durch die Ausbeutung von Menschen in Billiglohnländern ermöglicht.

Das große Verdienst von Nietzsche ist , dass er ..  sich der «Umwertung aller Werte» bedienend  .. diese Auswüchse , entgegen der modernen Kultur .. ich zitiere .. ins Wesen des Lebendigen, als organische Grundfunktion , in Folge des eigentlichen Willens zur Macht, der eben der Wille des Lebens ist .. verortet.

Was daraus folgen muss , ist , sich nicht mehr in einer ästhetizitisch- ironischen Position innerhalb der bürgerlichen Kultur zu gefallen, sondern wirklich ernst mit Nietzsches Forderung «Umwertung aller Werte» zu machen und aus dieser Kultur auszubrechen - was Hesse freilich nicht primär als kollektiven, sondern vor allem individuellen Prozess vorstellt , als ein einsames Aussteigertum.

Paul Stephan .. Links Nietzscheanismus Band S. 79

.. so macht man Nietzsches Forderung «Umwertung aller Werte» ernst . Das man sich .. als Nestbeschmutzer! ..  mit dergleichen ..  im „Kollektiv“ ! .. keine Freunde macht und  deshalb diese  Umwertung vor allem einem individuellen Prozess vorbehalten ist ., der ein einsames Aussteigertum zur Folge hat , sollte eigentlich einleuchten.

 

@ PS

Was würdest du denn meinen , wie man diese „Umwertung“ der Ausbeutung im Kollektiv der Links Nietzscheaner aufnehmen wird ?

Nietzsches Größe besteht gerade darin, dass er kein Gutmensch ist, sondern kleinlich. Er sagt, was ist, er zerstört jede Illusion.

 Paul  Stephan   ...  Die Linke neu leben - Thesen für einen linken Nietzsche heute

..    kann  die Linke  mit  dem   ..  "was   ist"  ..     tatsächlich  "neu leben"   oder    wurde    damit   möglicherweise   auch hier  jede  Illusion zerstört ?

 

 

Genau: Nietzsche demaskiert die moderne Gesellschaft als Gesellschaft der Ausbeutung. Zwischen Ausbeutung der Arbeiter und Sklaverei besteht für ihn kein wesentlicher Unterschied. Das ist der kritische Aspekt.

Aber warum willst du unbedingt auch noch den unkritischen Aspekt mitgehen, die Ontologisierung der Ausbeutung zum fatum amandum? Wo ist das das radikale Moment? Ich kann dir da ehrlich nicht folgen.

"Eine Partei des Lebens, vielfältig und diffus wie das Leben selbst, doch klaren Sinnes und von eiserner Disziplin, leidenschaftlich und volkstümlich, von Nietzscheschem Geist und von Marxen geschweißt, wird eine Gewalt sein, die alle Trumps und Macrons, alle Jinpings und alle von der Leyens, alle Bezos und Zuckerbergs, alle Sellners und Gaulands, alle Oligarchen und Ölscheichs hinwegfegen [...] wird." (Paul Stephan, Die Linke neu leben)
Zitat von PS am 14. September 2021, 5:07 Uhr

Genau: Nietzsche demaskiert die moderne Gesellschaft als Gesellschaft der Ausbeutung. Zwischen Ausbeutung der Arbeiter und Sklaverei besteht für ihn kein wesentlicher Unterschied. Das ist der kritische Aspekt.

Aber warum willst du unbedingt auch noch den unkritischen Aspekt mitgehen, die Ontologisierung der Ausbeutung zum fatum amandum? Wo ist das das radikale Moment? Ich kann dir da ehrlich nicht folgen.

Vielleicht kannst du ja Nietzsche folgen ..

Die »Ausbeutung« gehört nicht einer verderbten oder unvollkommnen und primitiven Gesellschaft an: sie gehört ins Wesen des Lebendigen, als organische Grundfunktion, sie ist eine Folge des eigentlichen Willens zur Macht, der eben der Wille des Lebens ist. – Gesetzt, dies ist als Theorie eine Neuerung – als Realität ist es das Ur-Faktum aller Geschichte: man sei doch so weit gegen sich ehrlich! ..

Friedrich Nietzsche .. Jenseits von gut und Böse

Nietzsche , der , in dem er die »Ausbeutung« als organische Grundfunktion , ins Wesen des Lebendigen verortet hat , von einer neuen Theorie spricht. Als Ur-Faktum aller Geschichte, solle man sich doch diesbezüglich ehrlich machen.

Auch jener Körper, innerhalb dessen, wie vorher angenommen wurde, die einzelnen sich als gleich behandeln – es geschieht in jeder gesunden Aristokratie –, muß selber, falls er ein lebendiger und nicht ein absterbender Körper ist, alles das gegen andre Körper tun, wessen sich die einzelnen in ihm gegeneinander enthalten: er wird der leibhafte Wille zur Macht sein müssen, er wird wachsen, um sich greifen, an sich ziehn, Übergewicht gewinnen wollen – nicht aus irgendeiner Moralität oder Immoralität heraus, sondern weil er lebt, und weil Leben eben Wille zur Macht ist.

Friedrich Nietzsche .. Jenseits von gut und Böse

Man solle sich doch darüber ehrlich machen, dass   ..  alles Lebendige wachsen , um sich greifen , an sich ziehen und Übergewicht gewinnen will ..

..   Und!   ..

Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit, oder sehr kleinem Profit,wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. ZehnProzent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft;50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das esnicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprozess des Kapitals. Hamburg, 1867.

 

.. als solches einen „Horror vor der Abwesenheit“ von selbigen hat , wie die Natur vor der Leere. So will der Kapitalist Profit   ... "nicht aus irgendeiner Moralität oder Immoralität heraus, sondern weil er lebt, und weil Leben eben Wille zur Macht ist( Nietzsche)".

Ich kenne mein Los. Es wird sich einmal an meinen Namen die Erinnerung an etwas Ungeheures anknüpfen – an eine Krisis, wie es keine auf Erden gab, an die tiefste Gewissens-Kollision, an eine Entscheidung, heraufbeschworen gegen alles, was bis dahin geglaubt, gefordert, geheiligt worden war. Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit.

Friedrich Nietzsche .. Ecce Homo

So würde ich übrigens meinen, dass Nietzsche . „Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit“ vor diesem Hintergrund zu verstehen ist. Beabsichtigt doch Nietzsche, mit seiner Lehre , nichts Geringeres, als eben Hand an jenen«eigentlichen» Willen zur Macht und damit an die organische Grundfunktion von allen Lebendigen incl. der Ausbeutung , zu legen. 

Andernorts sprach ich deshalb folgerichtig  , im Zusammenhang von Nietzsches Lehre , deshalb auch von einem «UNeigentlichen»Willen zur Macht .