"man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben"
Zitat von PS am 21. August 2021, 4:28 UhrEs ging hier ja, wenn ich dich recht verstehe, um die Frage der Wirksamkeit meines bzw. unseres Engagements in Sachen Corona-Politik.
Es ging hier ja, wenn ich dich recht verstehe, um die Frage der Wirksamkeit meines bzw. unseres Engagements in Sachen Corona-Politik.
Zitat von Seiltaenzery am 26. August 2021, 2:56 UhrEs ging mit mir hier , um die hier , von Jonas .. den Themenstarter! ,.,. zur Diskussion gestellte These " dass man nicht als ein Professor Nietzsche leben kann ".
Zitat von Jonas am 23. April 2020, 1:18 Uhr...
Einer, der selbst nie Teil der akademischen Philosophie werden wollte und der den geistig verwandten Adorno in einem Briefwechsel mit folgenden Worten kritisierte:
"Damit, durch das Wort ›Professor‹, bin ich bei einer anderen Ursache meiner Schwierigkeit Ihnen gegenüber. Es ist mir nämlich unbegreiflich, wie es möglich ist, auf der einen Seite als philosophischer Autor im prägnantesten Sinne ein Avantgardist zu sein; auf der anderen Seite aber eine offizielle Stellung zu bekleiden, und sich von denjenigen, denen man durch das, was man schreibt, die Achtung versagt, ehren zu lassen. Mir scheint, man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben oder als ein surrealistischer Geheimrat. Etwas von dieser Kreuzung haben Sie aber in meinen Augen an sich. Solche Doppelexistenz muss sich, glaube ich, rächen. Ein Revolutionär – und als Theoretiker sind Sie das natürlich –[,] der sich durch seine Stellung selbst seine Hände bindet, der erregt Misstrauen."
Hatte er recht mit dieser Kritik?
Es ist auf jeden Fall schade, dass es diesen Typus des nicht akademischen Intellektuellen bzw. Philosophen gegenwärtig fast überhaupt nicht mehr zu geben scheint. "Etwas fehlt da ganz gewaltig."
Dazu wiederum Adorno in der Minima Moralia (auf diese Stelle bezieht sich Anders vielleicht auch in seiner Kritik oben) : "Man könnte aber Nietzsche so wenig in einem Büro, in dessen Vorraum die Sekretärin das Telefon betreut, bis fünf Uhr am Schreibtische sich vorstellen, wie nach vollbrachtem Tagewerk Golf spielend."
Um von hier aus doch noch eine Brücke zur Corona Politik zu schlagen . Könnte man sich deiner Meinung nach ein Professor Nietzsche , als "surrealistischen" Politiker im Bundestag vorstellen , der in einer Rede sich für den Lockdowm einsetzt bzw. als "Avantgardist" , auf Seiten der s.g. Querdenker , die sich vehement dagegen aussprechen. Ich denke mal .. weder noch.
Es sind also stets miteinander untrennbar verwoben, zwei Stimmen die aus Nietzsches Terxten sprechen . Diejenige des privilegierten Bürgersohn und diejenige des in gescheiterten und vom Bürgertum grundlegend entfremdeten drop out.
Paul Stephan .. Links Nietzscheanis Band 1 S. 28
Was würdest du denn meinen , mit welcher dieser beiden Stimmen und dem zu folge , mit was würde er sich zur Corona Politik zu Wort melden ?
In der ersten Welle der politischen Nietzsche Rezeption [.. ] ist Nietzsche vor allem als Denker der individuellen Befreiung verstanden worden. [.. ].. Dieser Aspekt seines Werkes , ist immer noch äußerst populär , gerade in seiner <laienhaften >Rezeption.
Paul Stephan .. Links Nietzscheanis Band 1 S. 27 ..28
Gemäß dieser <laienhaften >Rezeption , würde er sich vermutlich mit der Stimme des vom Bürgertum grundlegend entfremdeten drop outs äußern . Zumindest wenn man unterstellt , dass individuellen Befreiung des priviligierten Bürgertums Ding nicht ist .Das wäre ganz sicher vielmehr das Ding der Querdenker. Somit Nietzsche gemäß dieser laienhaften Rezeption sich in seinen Texten ggf. gegen den Lockdown aussprechen würde. Um auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen .. eine offizielle Stellung kann man damit möglicherweise nicht bekleiden.
Der "Backfire Effekt" und ..
- Wann es ratsam ist, Unrecht zu behalten. – Man tut gut, gemachte Anschuldigungen, selbst wenn sie uns Unrecht tun, ohne Widerlegung hinzunehmen, im Fall der Anschuldigende darin ein noch größeres Unrecht unsererseits sehen würde, wenn wir ihm widersprächen und etwa gar ihn widerlegten. Freilich kann einer auf diese Weise immer Unrecht haben und immer Recht behalten und zuletzt mit dem besten Gewissen von der Welt der unerträglichste Tyrann und Quälgeist werden; und was vom einzelnen gilt, kann auch bei ganzen Klassen der Gesellschaft vorkommen.
- Friedrich Nietzsche .. Menschliches , Allzumenschliches
Andererseits würde ich diese Querdenker schon als jene "unerträglichsten Tyrannen und Quälgeiser ,mit besten Gewissen" sehen , die .. so Nietzsche .. wenn man ihnen widerspräche und etwa gar widerlegte , ein noch größeres Unrecht unsererseits sehen würden. "Unserseits" wäre in diesem Fall diejenigen , die für den Lockdown sind.
https://www.youtube.com/watch?v=OQem_nMk65I
Übrigens .. um auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen ...so könnte ich mir schon ein Professor Nietzsche vorstellen , der daheim, in seiner Kemenate , so etwas wie den Backfire Effect ausbaldowert. Mit "Wann es ratsam ist, Unrecht zu behalten" war er an diesem Effekt .. wie ich finde ... schon ziemlich dicht dran.
Es ging mit mir hier , um die hier , von Jonas .. den Themenstarter! ,.,. zur Diskussion gestellte These " dass man nicht als ein Professor Nietzsche leben kann ".
Zitat von Jonas am 23. April 2020, 1:18 Uhr...
Einer, der selbst nie Teil der akademischen Philosophie werden wollte und der den geistig verwandten Adorno in einem Briefwechsel mit folgenden Worten kritisierte:
"Damit, durch das Wort ›Professor‹, bin ich bei einer anderen Ursache meiner Schwierigkeit Ihnen gegenüber. Es ist mir nämlich unbegreiflich, wie es möglich ist, auf der einen Seite als philosophischer Autor im prägnantesten Sinne ein Avantgardist zu sein; auf der anderen Seite aber eine offizielle Stellung zu bekleiden, und sich von denjenigen, denen man durch das, was man schreibt, die Achtung versagt, ehren zu lassen. Mir scheint, man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben oder als ein surrealistischer Geheimrat. Etwas von dieser Kreuzung haben Sie aber in meinen Augen an sich. Solche Doppelexistenz muss sich, glaube ich, rächen. Ein Revolutionär – und als Theoretiker sind Sie das natürlich –[,] der sich durch seine Stellung selbst seine Hände bindet, der erregt Misstrauen."
Hatte er recht mit dieser Kritik?
Es ist auf jeden Fall schade, dass es diesen Typus des nicht akademischen Intellektuellen bzw. Philosophen gegenwärtig fast überhaupt nicht mehr zu geben scheint. "Etwas fehlt da ganz gewaltig."
Dazu wiederum Adorno in der Minima Moralia (auf diese Stelle bezieht sich Anders vielleicht auch in seiner Kritik oben) : "Man könnte aber Nietzsche so wenig in einem Büro, in dessen Vorraum die Sekretärin das Telefon betreut, bis fünf Uhr am Schreibtische sich vorstellen, wie nach vollbrachtem Tagewerk Golf spielend."
Um von hier aus doch noch eine Brücke zur Corona Politik zu schlagen . Könnte man sich deiner Meinung nach ein Professor Nietzsche , als "surrealistischen" Politiker im Bundestag vorstellen , der in einer Rede sich für den Lockdowm einsetzt bzw. als "Avantgardist" , auf Seiten der s.g. Querdenker , die sich vehement dagegen aussprechen. Ich denke mal .. weder noch.
Es sind also stets miteinander untrennbar verwoben, zwei Stimmen die aus Nietzsches Terxten sprechen . Diejenige des privilegierten Bürgersohn und diejenige des in gescheiterten und vom Bürgertum grundlegend entfremdeten drop out.
Paul Stephan .. Links Nietzscheanis Band 1 S. 28
Was würdest du denn meinen , mit welcher dieser beiden Stimmen und dem zu folge , mit was würde er sich zur Corona Politik zu Wort melden ?
In der ersten Welle der politischen Nietzsche Rezeption [.. ] ist Nietzsche vor allem als Denker der individuellen Befreiung verstanden worden. [.. ].. Dieser Aspekt seines Werkes , ist immer noch äußerst populär , gerade in seiner <laienhaften >Rezeption.
Paul Stephan .. Links Nietzscheanis Band 1 S. 27 ..28
Gemäß dieser <laienhaften >Rezeption , würde er sich vermutlich mit der Stimme des vom Bürgertum grundlegend entfremdeten drop outs äußern . Zumindest wenn man unterstellt , dass individuellen Befreiung des priviligierten Bürgertums Ding nicht ist .Das wäre ganz sicher vielmehr das Ding der Querdenker. Somit Nietzsche gemäß dieser laienhaften Rezeption sich in seinen Texten ggf. gegen den Lockdown aussprechen würde. Um auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen .. eine offizielle Stellung kann man damit möglicherweise nicht bekleiden.
Der "Backfire Effekt" und ..
- Wann es ratsam ist, Unrecht zu behalten. – Man tut gut, gemachte Anschuldigungen, selbst wenn sie uns Unrecht tun, ohne Widerlegung hinzunehmen, im Fall der Anschuldigende darin ein noch größeres Unrecht unsererseits sehen würde, wenn wir ihm widersprächen und etwa gar ihn widerlegten. Freilich kann einer auf diese Weise immer Unrecht haben und immer Recht behalten und zuletzt mit dem besten Gewissen von der Welt der unerträglichste Tyrann und Quälgeist werden; und was vom einzelnen gilt, kann auch bei ganzen Klassen der Gesellschaft vorkommen.
- Friedrich Nietzsche .. Menschliches , Allzumenschliches
Andererseits würde ich diese Querdenker schon als jene "unerträglichsten Tyrannen und Quälgeiser ,mit besten Gewissen" sehen , die .. so Nietzsche .. wenn man ihnen widerspräche und etwa gar widerlegte , ein noch größeres Unrecht unsererseits sehen würden. "Unserseits" wäre in diesem Fall diejenigen , die für den Lockdown sind.
Übrigens .. um auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen ...so könnte ich mir schon ein Professor Nietzsche vorstellen , der daheim, in seiner Kemenate , so etwas wie den Backfire Effect ausbaldowert. Mit "Wann es ratsam ist, Unrecht zu behalten" war er an diesem Effekt .. wie ich finde ... schon ziemlich dicht dran.
Zitat von PS am 14. September 2021, 3:49 UhrIch denke aber schon, dass es einige Elemente in Nietzsches Denken gibt, die sich gegen diese Politik anführen lassen: Nämlich genau seine Kritik an Obrigkeitshörigkeit, Wissenschaftsgläubigkeit und dem modernen Verständnis von "Gesundheit".
In dem Text habe ich das versucht, ein wenig anzureißen:
https://philosophie-indebate.de/3614/indebate-corona-im-kontext/
Nietzsche wäre doch klar dagegen, dass man das bloße Überleben zugunsten der Freiheit opfert.
Wobei er die "Querdenker" sicher auch nicht gut gefunden hätte. Da treffen "Anarchisten und Antisemiten" ja leider oftmals zusammen.
Insofern würde ich schon behaupten, dass ich in dieser Frage recht "orthodox nietzscheanisch" bin.
(Was mir allerdings, wie andernorts gesagt, nicht so wichtig ist. 😉 )
Ich denke aber schon, dass es einige Elemente in Nietzsches Denken gibt, die sich gegen diese Politik anführen lassen: Nämlich genau seine Kritik an Obrigkeitshörigkeit, Wissenschaftsgläubigkeit und dem modernen Verständnis von "Gesundheit".
In dem Text habe ich das versucht, ein wenig anzureißen:
Nietzsche wäre doch klar dagegen, dass man das bloße Überleben zugunsten der Freiheit opfert.
Wobei er die "Querdenker" sicher auch nicht gut gefunden hätte. Da treffen "Anarchisten und Antisemiten" ja leider oftmals zusammen.
Insofern würde ich schon behaupten, dass ich in dieser Frage recht "orthodox nietzscheanisch" bin.
(Was mir allerdings, wie andernorts gesagt, nicht so wichtig ist. 😉 )
Zitat von Seiltaenzery am 22. September 2021, 1:29 UhrZitat von PS am 14. September 2021, 3:49 UhrIch denke aber schon, dass es einige Elemente in Nietzsches Denken gibt, die sich gegen diese Politik anführen lassen: Nämlich genau seine Kritik an Obrigkeitshörigkeit, Wissenschaftsgläubigkeit und dem modernen Verständnis von "Gesundheit".
In dem Text "InDebate: Corona im Kontext" habe ich das versucht, ein wenig anzureißen:
- "Von großem philosophischen Interesse ist jedenfalls, wie sehr der gesamte Diskurs um Corona die nietzscheanische Einsicht bestätigt, dass es eben im strengen Sinne keine Fakten, sondern nur Interpretationen gibt. Das bedeutet nicht, dass es keine Realität des Corona-Virus’ geben würde, sondern eben nur, dass es keinen unmittelbaren Zugriff auf diese Realität gibt".
Das Menschen sich mit Corona infizieren und in Folge dessen erkranken und sterben können , ist ganz sicher keine Interpretation im Diskurs um Corona .
Viele Länder sah Zarathustra und viele Völker: so entdeckte er vieler Völker Gutes und Böses. Keine größere Macht fand Zarathustra auf Erden als Gut und Böse.
Leben könnte kein Volk, das nicht erst schätzte; will es sich aber erhalten, so darf es nicht schätzen, wie der Nachbar schätzt.
Vieles, das diesem Volke gut hieß, hieß einem andern Hohn und Schmach: also fand ich's. Vieles fand ich hier böse genannt und dort mit purpurnen Ehren geputzt.
Nie verstand ein Nachbar den andern: stets verwunderte sich seine Seele ob des Nachbarn Wahn und Bosheit.
Wenn denn etwas eine Frage der Interpretation ist , dann .. so Nietzsche .. ab welcher Anzahl von Infizierten und in dessen Folge Erkrankten und Toten , wir .. "geschätzt" .. von guten und gerechtfertigten bzw. bösen und ungerechtfertigten Corona -Maßnahmen sprechen.
Besprechung des Chefs des Bundeskanzleramtes mit den Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien
am 16. Juli 2020Bund und Länder haben am 6. Mai 2020 einen Mechanismus vereinbart, der eine so-
fortige und wirkungsvolle Reaktion auf eine regionale Dynamik erlaubt: Die Länder
stellen sicher, dass in Landkreisen oder kreisfreien Städten spätestens mit kumulativ
mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten 7 Tage so-
fort ein konsequentes Beschränkungskonzept unter Einbeziehung der zuständigen
Landesbehörde umgesetzt und das RKI einbezogen wird.
So hat die Politik am 16. Juli 2020 beschlossen , dass bei .. "geschätzt" .. mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten 7 Tage , sofort ein konsequentes Beschränkungskonzept umgesetz werden soll. Bei dir, in deinem Text "InDebate: Corona im Kontext" , finde ich dazu nichts . Diese Schätzung gehört aber, wenn man denn dieses "Element in Nietzsches Denken" mit anführt unbedingt mit rein. Einfach nur das , was diese "Politik gut hieß , Hohn und Schmach zu heißen(Nietzsche)" , ist , ohne sich selbst mit einer Schätzung vergleichbar zu machen , unglaubwürdig . Es sei denn , du lehnst die Umsetzung von konsequenten Beschränkungskonzepten , im Zusammenhang mit einer Pandemie wie Corona , generell ab. Nur dann gehört aber das in deinen Text.
Zitat von Jonas am 23. April 2020, 1:18 Uhr
Günther Anders, "Damit, durch das Wort ›Professor‹, bin ich bei einer anderen Ursache meiner Schwierigkeit Ihnen gegenüber. Es ist mir nämlich unbegreiflich, wie es möglich ist, auf der einen Seite als philosophischer Autor im prägnantesten Sinne ein Avantgardist zu sein; auf der anderen Seite aber eine offizielle Stellung zu bekleiden, und sich von denjenigen, denen man durch das, was man schreibt, die Achtung versagt, ehren zu lassen. Mir scheint, man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben oder als ein surrealistischer Geheimrat. Etwas von dieser Kreuzung haben Sie aber in meinen Augen an sich. Solche Doppelexistenz muss sich, glaube ich, rächen. Ein Revolutionär – und als Theoretiker sind Sie das natürlich –[,] der sich durch seine Stellung selbst seine Hände bindet, der erregt Misstrauen."
Hatte er recht mit dieser Kritik?
Um auf den Beitrag von Jonas und damit auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen ....
Freigeist ein relativer Begriff. – Man nennt den einen Freigeist, welcher anders denkt, als man von ihm auf Grund seiner Herkunft, Umgebung, seines Standes und Amtes oder auf Grund der herrschenden Zeitansichten erwartet.Er ist die Ausnahme, die gebundenen Geister sind die Regel;
Könnte deine .. relative Freigeistigkeit (Nietzsche)! .. , in dieser Angelenheit, vielleicht tatsächlich darauf zurück zu führen sein, dass du kein politisches Amt bekleidest? Du dich also als ungebundener Geist den Luxus leisten kannst , dich nicht an solchen .. Schätzungen(Nietzsche) ..zu binden, zu denen sich die gebundene Politik gelegentlich genötigt sieht?
Hatte ich recht mit dieser Kritik?
Zitat von PS am 14. September 2021, 3:49 UhrIch denke aber schon, dass es einige Elemente in Nietzsches Denken gibt, die sich gegen diese Politik anführen lassen: Nämlich genau seine Kritik an Obrigkeitshörigkeit, Wissenschaftsgläubigkeit und dem modernen Verständnis von "Gesundheit".
In dem Text "InDebate: Corona im Kontext" habe ich das versucht, ein wenig anzureißen:
- "Von großem philosophischen Interesse ist jedenfalls, wie sehr der gesamte Diskurs um Corona die nietzscheanische Einsicht bestätigt, dass es eben im strengen Sinne keine Fakten, sondern nur Interpretationen gibt. Das bedeutet nicht, dass es keine Realität des Corona-Virus’ geben würde, sondern eben nur, dass es keinen unmittelbaren Zugriff auf diese Realität gibt".
Das Menschen sich mit Corona infizieren und in Folge dessen erkranken und sterben können , ist ganz sicher keine Interpretation im Diskurs um Corona .
Viele Länder sah Zarathustra und viele Völker: so entdeckte er vieler Völker Gutes und Böses. Keine größere Macht fand Zarathustra auf Erden als Gut und Böse.
Leben könnte kein Volk, das nicht erst schätzte; will es sich aber erhalten, so darf es nicht schätzen, wie der Nachbar schätzt.
Vieles, das diesem Volke gut hieß, hieß einem andern Hohn und Schmach: also fand ich's. Vieles fand ich hier böse genannt und dort mit purpurnen Ehren geputzt.
Nie verstand ein Nachbar den andern: stets verwunderte sich seine Seele ob des Nachbarn Wahn und Bosheit.
Wenn denn etwas eine Frage der Interpretation ist , dann .. so Nietzsche .. ab welcher Anzahl von Infizierten und in dessen Folge Erkrankten und Toten , wir .. "geschätzt" .. von guten und gerechtfertigten bzw. bösen und ungerechtfertigten Corona -Maßnahmen sprechen.
Besprechung des Chefs des Bundeskanzleramtes mit den Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien
am 16. Juli 2020Bund und Länder haben am 6. Mai 2020 einen Mechanismus vereinbart, der eine so-
fortige und wirkungsvolle Reaktion auf eine regionale Dynamik erlaubt: Die Länder
stellen sicher, dass in Landkreisen oder kreisfreien Städten spätestens mit kumulativ
mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten 7 Tage so-
fort ein konsequentes Beschränkungskonzept unter Einbeziehung der zuständigen
Landesbehörde umgesetzt und das RKI einbezogen wird.
So hat die Politik am 16. Juli 2020 beschlossen , dass bei .. "geschätzt" .. mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten 7 Tage , sofort ein konsequentes Beschränkungskonzept umgesetz werden soll. Bei dir, in deinem Text "InDebate: Corona im Kontext" , finde ich dazu nichts . Diese Schätzung gehört aber, wenn man denn dieses "Element in Nietzsches Denken" mit anführt unbedingt mit rein. Einfach nur das , was diese "Politik gut hieß , Hohn und Schmach zu heißen(Nietzsche)" , ist , ohne sich selbst mit einer Schätzung vergleichbar zu machen , unglaubwürdig . Es sei denn , du lehnst die Umsetzung von konsequenten Beschränkungskonzepten , im Zusammenhang mit einer Pandemie wie Corona , generell ab. Nur dann gehört aber das in deinen Text.
Zitat von Jonas am 23. April 2020, 1:18 Uhr
Günther Anders, "Damit, durch das Wort ›Professor‹, bin ich bei einer anderen Ursache meiner Schwierigkeit Ihnen gegenüber. Es ist mir nämlich unbegreiflich, wie es möglich ist, auf der einen Seite als philosophischer Autor im prägnantesten Sinne ein Avantgardist zu sein; auf der anderen Seite aber eine offizielle Stellung zu bekleiden, und sich von denjenigen, denen man durch das, was man schreibt, die Achtung versagt, ehren zu lassen. Mir scheint, man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben oder als ein surrealistischer Geheimrat. Etwas von dieser Kreuzung haben Sie aber in meinen Augen an sich. Solche Doppelexistenz muss sich, glaube ich, rächen. Ein Revolutionär – und als Theoretiker sind Sie das natürlich –[,] der sich durch seine Stellung selbst seine Hände bindet, der erregt Misstrauen."
Hatte er recht mit dieser Kritik?
Um auf den Beitrag von Jonas und damit auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen ....
Freigeist ein relativer Begriff. – Man nennt den einen Freigeist, welcher anders denkt, als man von ihm auf Grund seiner Herkunft, Umgebung, seines Standes und Amtes oder auf Grund der herrschenden Zeitansichten erwartet.Er ist die Ausnahme, die gebundenen Geister sind die Regel;
Könnte deine .. relative Freigeistigkeit (Nietzsche)! .. , in dieser Angelenheit, vielleicht tatsächlich darauf zurück zu führen sein, dass du kein politisches Amt bekleidest? Du dich also als ungebundener Geist den Luxus leisten kannst , dich nicht an solchen .. Schätzungen(Nietzsche) ..zu binden, zu denen sich die gebundene Politik gelegentlich genötigt sieht?
Hatte ich recht mit dieser Kritik?
Zitat von Seiltaenzery am 31. Januar 2022, 0:02 Uhr@PS
Weil diesbezüglich und zwar der Familie in deiner letzten Email die Rede war ., so könnte im Hinblick auf das Thema dieses Threads , als da wäre .. „man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben ". vielleicht noch folgendes Zitat interessant sein..
Denn jeder Trieb ist herrschsüchtig: und als solcher versucht er zu philosophieren. – Freilich: bei den Gelehrten, den eigentlich wissenschaftlichen Menschen, mag es anders stehn – »besser«, wenn man will –, da mag es wirklich so etwas wie einen Erkenntnistrieb geben, irgendein kleines unabhängiges Uhrwerk, welches, gut aufgezogen, tapfer darauflos arbeitet, ohne daß die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich dabei beteiligt sind. Die eigentlichen »Interessen« des Gelehrten liegen deshalb gewöhnlich ganz woanders, etwa in der Familie oder im Gelderwerb oder in der Politik ..
Demnach kann man nur als ein ein Professor Nietzsche leben , wenn die eigentlichen »Interessen« des Gelehrten ganz woanders liegen ,etwa in der Familie. Zumindest wenn man als eigentlich wissenschaftlicher Mensch beabsichtigt und davon gehe ich bei Nietzsche aus, allein dem Erkenntnistrieb folgt , ohne das die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich dabei beteiligt sind. Nur so kann lt. Nietzsche der Erkenntnistrieb, gleichsam einem unabhängigem Uhrwerk, welches gut aufgezogen ist , tapfer darauflos arbeiten. In Sachen Nietzsche gibt es da nur ein Problem . Bei Nietzsche lagen die eigentlichen »Interessen« wohl eher nicht in der Familie , im Gelderwerb oder in der Politik. Zumindest war er weder ein Politiker ,im eigentlichen Sinne, noch war er ein Familienoberhaupt ..
Ihr ( von Salis , Meysenbug) .. Reichtum ermöglichte es ihnen eine solche Haltung einzunehmen - wie auch Nietzsche ohne eine stattliche Rente kaum der freie Philosoph hätte werden können , als der er in die Geschichte eingegangen ist.
Paul Stephan .. Links -Nietzscheanismus Band 2 Seite 30
.. und wenn man dir glauben schenken darf , so lag auf Grund einer stattlichen Rente sein eigentliches »Interessen« auch nicht im Gelderwerb.
Das menschliche Elend bei einer Meerfahrt ist schrecklich und doch eigentlich lächerlich, ungefähr so wie mir mitunter mein Kopfschmerz vorkommt, bei dem man sich in ganz blühenden Leibesumständen befinden kann – kurz, ich bin heute wieder in der Stimmung des »heitern Krüppeltums«, während ich auf dem Schiffe nur die schwärzesten Gedanken hatte und in bezug auf Selbstmord allein darüber im Zweifel blieb, wo das Meer am tiefsten sei, damit man nicht gleich wieder herausgefischt werde und seinen Errettern noch dazu eine schreckliche Masse Gold als Sold der Dankbarkeit zu zahlen habe.
Friedrich Nietzsche ...An Malwida von Meysenbug 13.5.1877
Ich denke mal , dass Nietzsche eigentliches »Interesse « bei seinem »heitern Krüppeltum« lag.
Aber das Schlimmste ist: ich begreife gar nicht mehr, wozu ich auch nur ein halbes Jahr leben soll, alles ist langweilig, schmerzhaft, degoutant. Ich entbehre und leide zuviel und habe einen Begriff von der Unvollkommenheit, den Fehlgriffen und den eigentlichen Unglücksfällen meiner ganzen geistigen Vergangenheit, der über alle Begriffe ist. Es ist nichts mehr gutzumachen; ich werde nichts Gutes mehr machen. Wozu noch etwas machen! –
Das erinnert mich an meine letzte Torheit, ich meine den »Zarathustra« (Ist es jetzt deutlich zu lesen? Ich schreibe wie ein Schwein).
Einem „eigentliches Interesse“ , an seinem Leiden , dem wir einen späten (wie ein Schwein schreibenden ) Nietzsche und damit seinen »Zarathustra« verdanken.
https://www.youtube.com/watch?v=_GTKJA57ryA
- ..je älter Nietzsche wird desto schriller tönt seine Rede die Worte hören auf die Dinge zu decken und das Unisono der Proklamationen verweist am Ende nur noch auf sich selbst. Da wird geschrien und kommandiert.. aber wenn das Wahnsinn ist , was ich hier im einem imperialen Stil ausdrücke, mit rauschenden Floskeln und Parodie,die sich für Verkündigung hält, dann ist auch schon der Zarathustra, vom Wahnsinn gezeichnet
- Walter Jens .. 22:30 Min
Nietzsche war sich also dessen sehr wohl bewusst , was ihm hier von Walter Jens ausgestellt wurde.
Denn jeder Trieb ist herrschsüchtig: und als solcher versucht er zu philosophieren. – Freilich: bei den Gelehrten, den eigentlich wissenschaftlichen Menschen, mag es anders stehn – »besser«, wenn man will –, da mag es wirklich so etwas wie einen Erkenntnistrieb geben, irgendein kleines unabhängiges Uhrwerk, welches, gut aufgezogen, tapfer darauflos arbeitet, ohne daß die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich dabei beteiligt sind. Die eigentlichen »Interessen« des Gelehrten liegen deshalb gewöhnlich ganz woanders, etwa in der Familie oder im Gelderwerb oder in der Politik ..
Womöglich hat sich Nietzsche , als er denn bei seinem Zarathustra von einer Torheit, um nicht sogar zu sagen einer Schweinerei sprach , sich in eben jener Phase befunden, in der .. die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten an den Erkenntnistrieb beteiligt waren(Nietzsche). Will sagen .. er war gemäß dem o.g. Zitat aus Jenseits von Gut und Böse zu diesem Zeitpunkt kein wissenschaftlicher Mensch, im eigentlichen Sinne. Er war in diesem Moment in jenen frühen Zustand zurück gefallen , der von Walter Jens ausdrücklich gelobt wurde. Einem Zustand , wo er noch seinem frühen Stilideal folgend ..
..kein Zweifel das Nietzsche sein Stilideal im Frühwerk der Philosophie des Vormittags zu realisieren verstand , wenn er erzählt , wenn er witzig ist, .. wenn er die Odyssee eines Ausgehanzugs analysiert.
.. die Odyssee eines Ausgehanzugs zu analysieren verstand.
Womit sich in puncto „wissenschaftlicher Nietzsche“ sich sehr schön die Spreu vom Weizen trennen lässt . Wer an Nietzsches frühen Stilideal bzw. an die Odyssee eines Ausgehanzugs interessiert ist, mag .. wie Walter Jens! .. mit den frühen Nietzsche vorlieb nehmen . Wer an den wissenschaftlichen Nietzsche interessiert ist .. wie meine Wenigkeit ! .. der kommt wohl um die „Torheiten und Schweinereien“ des späten Nietzsche nicht umhin.
Gut möglich das man ja selbst im Leiden sein eigentliches »Interesse« gefunden haben muss , um einen Zugang , zu diesen späten Nietzsche zu haben. Was diesbezüglich mich selbst betrifft , so kann ich vielleicht nicht als ein Professor Nietzsche leben , bin aber in puncto »heitern Krüppeltum« ganz sicher dichter dran an ihm , als mir lieb sein kann. Das mal nur so neben bei. .. oder auch nicht.
P.S.
Gemäß Nietzsches „andre Kombination “ konnte es mit der stattlichen Rente wohl nicht weit her sein ...
Der Plan nun, welchen Frl. von Meysenbug als unverrückbar im Auge zu behalten bezeichnet und an dessen Ausführung Du mithelfen mußt, ist der: Wir überzeugen uns, daß es mit meiner Baseler Universitätsexistenz auf die Dauer nicht gehen kann, daß ich sie höchstens auf Unkosten aller meiner wichtigeren Vorhaben und doch mit totaler Preisgebung meiner Gesundheit durchsetzen könnte. Freilich werde ich den nächsten Winter in diesen Verhältnissen dort noch zubringen müssen, aber Ostern 1878 soll es zu Ende sein, falls die andre Kombination gelingt, d. h. die Verheiratung mit einer zu mir passenden, aber notwendig vermöglichen Frau. »Gut, aber reich« wie Frl. v. M. sagte, über welches »Aber« wir sehr lachten.
@PS
Weil diesbezüglich und zwar der Familie in deiner letzten Email die Rede war ., so könnte im Hinblick auf das Thema dieses Threads , als da wäre .. „man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben ". vielleicht noch folgendes Zitat interessant sein..
Denn jeder Trieb ist herrschsüchtig: und als solcher versucht er zu philosophieren. – Freilich: bei den Gelehrten, den eigentlich wissenschaftlichen Menschen, mag es anders stehn – »besser«, wenn man will –, da mag es wirklich so etwas wie einen Erkenntnistrieb geben, irgendein kleines unabhängiges Uhrwerk, welches, gut aufgezogen, tapfer darauflos arbeitet, ohne daß die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich dabei beteiligt sind. Die eigentlichen »Interessen« des Gelehrten liegen deshalb gewöhnlich ganz woanders, etwa in der Familie oder im Gelderwerb oder in der Politik ..
Demnach kann man nur als ein ein Professor Nietzsche leben , wenn die eigentlichen »Interessen« des Gelehrten ganz woanders liegen ,etwa in der Familie. Zumindest wenn man als eigentlich wissenschaftlicher Mensch beabsichtigt und davon gehe ich bei Nietzsche aus, allein dem Erkenntnistrieb folgt , ohne das die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich dabei beteiligt sind. Nur so kann lt. Nietzsche der Erkenntnistrieb, gleichsam einem unabhängigem Uhrwerk, welches gut aufgezogen ist , tapfer darauflos arbeiten. In Sachen Nietzsche gibt es da nur ein Problem . Bei Nietzsche lagen die eigentlichen »Interessen« wohl eher nicht in der Familie , im Gelderwerb oder in der Politik. Zumindest war er weder ein Politiker ,im eigentlichen Sinne, noch war er ein Familienoberhaupt ..
Ihr ( von Salis , Meysenbug) .. Reichtum ermöglichte es ihnen eine solche Haltung einzunehmen - wie auch Nietzsche ohne eine stattliche Rente kaum der freie Philosoph hätte werden können , als der er in die Geschichte eingegangen ist.
Paul Stephan .. Links -Nietzscheanismus Band 2 Seite 30
.. und wenn man dir glauben schenken darf , so lag auf Grund einer stattlichen Rente sein eigentliches »Interessen« auch nicht im Gelderwerb.
Das menschliche Elend bei einer Meerfahrt ist schrecklich und doch eigentlich lächerlich, ungefähr so wie mir mitunter mein Kopfschmerz vorkommt, bei dem man sich in ganz blühenden Leibesumständen befinden kann – kurz, ich bin heute wieder in der Stimmung des »heitern Krüppeltums«, während ich auf dem Schiffe nur die schwärzesten Gedanken hatte und in bezug auf Selbstmord allein darüber im Zweifel blieb, wo das Meer am tiefsten sei, damit man nicht gleich wieder herausgefischt werde und seinen Errettern noch dazu eine schreckliche Masse Gold als Sold der Dankbarkeit zu zahlen habe.
Friedrich Nietzsche ...An Malwida von Meysenbug 13.5.1877
Ich denke mal , dass Nietzsche eigentliches »Interesse « bei seinem »heitern Krüppeltum« lag.
Aber das Schlimmste ist: ich begreife gar nicht mehr, wozu ich auch nur ein halbes Jahr leben soll, alles ist langweilig, schmerzhaft, degoutant. Ich entbehre und leide zuviel und habe einen Begriff von der Unvollkommenheit, den Fehlgriffen und den eigentlichen Unglücksfällen meiner ganzen geistigen Vergangenheit, der über alle Begriffe ist. Es ist nichts mehr gutzumachen; ich werde nichts Gutes mehr machen. Wozu noch etwas machen! –
Das erinnert mich an meine letzte Torheit, ich meine den »Zarathustra« (Ist es jetzt deutlich zu lesen? Ich schreibe wie ein Schwein).
Einem „eigentliches Interesse“ , an seinem Leiden , dem wir einen späten (wie ein Schwein schreibenden ) Nietzsche und damit seinen »Zarathustra« verdanken.
- ..je älter Nietzsche wird desto schriller tönt seine Rede die Worte hören auf die Dinge zu decken und das Unisono der Proklamationen verweist am Ende nur noch auf sich selbst. Da wird geschrien und kommandiert.. aber wenn das Wahnsinn ist , was ich hier im einem imperialen Stil ausdrücke, mit rauschenden Floskeln und Parodie,die sich für Verkündigung hält, dann ist auch schon der Zarathustra, vom Wahnsinn gezeichnet
- Walter Jens .. 22:30 Min
Nietzsche war sich also dessen sehr wohl bewusst , was ihm hier von Walter Jens ausgestellt wurde.
Denn jeder Trieb ist herrschsüchtig: und als solcher versucht er zu philosophieren. – Freilich: bei den Gelehrten, den eigentlich wissenschaftlichen Menschen, mag es anders stehn – »besser«, wenn man will –, da mag es wirklich so etwas wie einen Erkenntnistrieb geben, irgendein kleines unabhängiges Uhrwerk, welches, gut aufgezogen, tapfer darauflos arbeitet, ohne daß die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich dabei beteiligt sind. Die eigentlichen »Interessen« des Gelehrten liegen deshalb gewöhnlich ganz woanders, etwa in der Familie oder im Gelderwerb oder in der Politik ..
Womöglich hat sich Nietzsche , als er denn bei seinem Zarathustra von einer Torheit, um nicht sogar zu sagen einer Schweinerei sprach , sich in eben jener Phase befunden, in der .. die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten an den Erkenntnistrieb beteiligt waren(Nietzsche). Will sagen .. er war gemäß dem o.g. Zitat aus Jenseits von Gut und Böse zu diesem Zeitpunkt kein wissenschaftlicher Mensch, im eigentlichen Sinne. Er war in diesem Moment in jenen frühen Zustand zurück gefallen , der von Walter Jens ausdrücklich gelobt wurde. Einem Zustand , wo er noch seinem frühen Stilideal folgend ..
..kein Zweifel das Nietzsche sein Stilideal im Frühwerk der Philosophie des Vormittags zu realisieren verstand , wenn er erzählt , wenn er witzig ist, .. wenn er die Odyssee eines Ausgehanzugs analysiert.
.. die Odyssee eines Ausgehanzugs zu analysieren verstand.
Womit sich in puncto „wissenschaftlicher Nietzsche“ sich sehr schön die Spreu vom Weizen trennen lässt . Wer an Nietzsches frühen Stilideal bzw. an die Odyssee eines Ausgehanzugs interessiert ist, mag .. wie Walter Jens! .. mit den frühen Nietzsche vorlieb nehmen . Wer an den wissenschaftlichen Nietzsche interessiert ist .. wie meine Wenigkeit ! .. der kommt wohl um die „Torheiten und Schweinereien“ des späten Nietzsche nicht umhin.
Gut möglich das man ja selbst im Leiden sein eigentliches »Interesse« gefunden haben muss , um einen Zugang , zu diesen späten Nietzsche zu haben. Was diesbezüglich mich selbst betrifft , so kann ich vielleicht nicht als ein Professor Nietzsche leben , bin aber in puncto »heitern Krüppeltum« ganz sicher dichter dran an ihm , als mir lieb sein kann. Das mal nur so neben bei. .. oder auch nicht.
P.S.
Gemäß Nietzsches „andre Kombination “ konnte es mit der stattlichen Rente wohl nicht weit her sein ...
Der Plan nun, welchen Frl. von Meysenbug als unverrückbar im Auge zu behalten bezeichnet und an dessen Ausführung Du mithelfen mußt, ist der: Wir überzeugen uns, daß es mit meiner Baseler Universitätsexistenz auf die Dauer nicht gehen kann, daß ich sie höchstens auf Unkosten aller meiner wichtigeren Vorhaben und doch mit totaler Preisgebung meiner Gesundheit durchsetzen könnte. Freilich werde ich den nächsten Winter in diesen Verhältnissen dort noch zubringen müssen, aber Ostern 1878 soll es zu Ende sein, falls die andre Kombination gelingt, d. h. die Verheiratung mit einer zu mir passenden, aber notwendig vermöglichen Frau. »Gut, aber reich« wie Frl. v. M. sagte, über welches »Aber« wir sehr lachten.
Zitat von Seiltaenzery am 1. Februar 2022, 2:52 UhrUm bezüglich des letzten Beitrages auf die Frage des Themenstarters zurück zu kommen ..
"Damit, durch das Wort ›Professor‹, bin ich bei einer anderen Ursache meiner Schwierigkeit Ihnen gegenüber. Es ist mir nämlich unbegreiflich, wie es möglich ist, auf der einen Seite als philosophischer Autor im prägnantesten Sinne ein Avantgardist zu sein; auf der anderen Seite aber eine offizielle Stellung zu bekleiden, und sich von denjenigen, denen man durch das, was man schreibt, die Achtung versagt, ehren zu lassen. Mir scheint, man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben oder als ein surrealistischer Geheimrat. Etwas von dieser Kreuzung haben Sie aber in meinen Augen an sich. Solche Doppelexistenz muss sich, glaube ich, rächen. Ein Revolutionär – und als Theoretiker sind Sie das natürlich –[,] der sich durch seine Stellung selbst seine Hände bindet, der erregt Misstrauen."
Hatte er recht mit dieser Kritik?
Er hätte nur dann recht mit dieser Kritik recht , wenn ..
Denn jeder Trieb ist herrschsüchtig: und als solcher versucht er zu philosophieren. – Freilich: bei den Gelehrten, den eigentlich wissenschaftlichen Menschen, mag es anders stehn – »besser«, wenn man will –, da mag es wirklich so etwas wie einen Erkenntnistrieb geben, irgendein kleines unabhängiges Uhrwerk, welches, gut aufgezogen, tapfer darauflos arbeitet, ohne daß die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich dabei beteiligt sind. Die eigentlichen »Interessen« des Gelehrten liegen deshalb gewöhnlich ganz woanders, etwa in der Familie oder im Gelderwerb oder in der Politik .
.. ich zitiere ..
.. .im Umkehrschluss! … „die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich an dem Erkenntnistrieb beteiligt sind“ .
Will sagen .. um auf das Beispiel zurück zu kommen . wenn der Erwerbstrieb des Professors , in Form seiner offiziellen Stellung als surrealistischer Geheimrat , auf der anderen Seite an dem beteiligt ist, was er als philosophischer Autor bzw. im prägnantesten Sinne als ein Avantgardist zu Papier bringt. Dann reden wir tatsächlich von einer zu kritisierenden Doppelexistenz. Wenn jedoch ..so Nietzsche ..das eigentliche »Interessen« des Gelehrten in eben jenem Gelderwerb als Geheimrat liegt , so dass der Erkenntnistrieb wie ein irgendein kleines, wohlgemerkt .. unabhängiges! .. Uhrwerk arbeiten kann , dann kann man sehr wohl als ein wissenschaftlicher Mensch bzw. als ein Professor Nietzsche leben. So „einfach“ ist das.
Um bezüglich des letzten Beitrages auf die Frage des Themenstarters zurück zu kommen ..
"Damit, durch das Wort ›Professor‹, bin ich bei einer anderen Ursache meiner Schwierigkeit Ihnen gegenüber. Es ist mir nämlich unbegreiflich, wie es möglich ist, auf der einen Seite als philosophischer Autor im prägnantesten Sinne ein Avantgardist zu sein; auf der anderen Seite aber eine offizielle Stellung zu bekleiden, und sich von denjenigen, denen man durch das, was man schreibt, die Achtung versagt, ehren zu lassen. Mir scheint, man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben oder als ein surrealistischer Geheimrat. Etwas von dieser Kreuzung haben Sie aber in meinen Augen an sich. Solche Doppelexistenz muss sich, glaube ich, rächen. Ein Revolutionär – und als Theoretiker sind Sie das natürlich –[,] der sich durch seine Stellung selbst seine Hände bindet, der erregt Misstrauen."
Hatte er recht mit dieser Kritik?
Er hätte nur dann recht mit dieser Kritik recht , wenn ..
Denn jeder Trieb ist herrschsüchtig: und als solcher versucht er zu philosophieren. – Freilich: bei den Gelehrten, den eigentlich wissenschaftlichen Menschen, mag es anders stehn – »besser«, wenn man will –, da mag es wirklich so etwas wie einen Erkenntnistrieb geben, irgendein kleines unabhängiges Uhrwerk, welches, gut aufgezogen, tapfer darauflos arbeitet, ohne daß die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich dabei beteiligt sind. Die eigentlichen »Interessen« des Gelehrten liegen deshalb gewöhnlich ganz woanders, etwa in der Familie oder im Gelderwerb oder in der Politik .
.. ich zitiere ..
.. .im Umkehrschluss! … „die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich an dem Erkenntnistrieb beteiligt sind“ .
Will sagen .. um auf das Beispiel zurück zu kommen . wenn der Erwerbstrieb des Professors , in Form seiner offiziellen Stellung als surrealistischer Geheimrat , auf der anderen Seite an dem beteiligt ist, was er als philosophischer Autor bzw. im prägnantesten Sinne als ein Avantgardist zu Papier bringt. Dann reden wir tatsächlich von einer zu kritisierenden Doppelexistenz. Wenn jedoch ..so Nietzsche ..das eigentliche »Interessen« des Gelehrten in eben jenem Gelderwerb als Geheimrat liegt , so dass der Erkenntnistrieb wie ein irgendein kleines, wohlgemerkt .. unabhängiges! .. Uhrwerk arbeiten kann , dann kann man sehr wohl als ein wissenschaftlicher Mensch bzw. als ein Professor Nietzsche leben. So „einfach“ ist das.
Zitat von Seiltaenzery am 4. Oktober 2023, 1:12 UhrApropos „Uhrwerk“ …
. Nun ist zu manchen Geschäften, die in das Interesse des gemeinen Wesens laufen, ein gewisser Mechanism notwendig, vermittelst dessen einige Glieder des gemeinen Wesens sich bloß passiv verhalten müssen …" Kant .. Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung
.. Kant spricht hier auch von „notwendigen Mechanism“ ..
"Hier ist es nun freilich nicht erlaubt, zu räsonnieren; sondern man muß gehorchen. So fern sich aber dieser Teil der Maschine zugleich als Glied eines ganzen gemeinen Wesens, ja sogar der Weltbürgergesellschaft ansieht, mithin in der Qualität eines Gelehrten, der sich an ein Publikum im eigentlichen Verstande durch Schriften wendet: kann er allerdings räsonnieren, ohne daß dadurch die Geschäfte leiden, zu denen er zum Teile als passives Glied angesetzt ist" Kant .. Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung
… denen ist , weil sie in das Interesse des gemeinen Wesens laufen , zu gehorchen. Wenn man sich dazu den Lebenslauf von Nietzsche vergegenwärtigt , so kommt man wohl nicht umhin zu konstatieren , dass er eben das getan , er hat gehorcht. Ja mehr noch , er ist geradezu ein Paradebeispiel dafür , wie man ..so Kant .. dennoch als Gelehrte räsonnieren kann , ohne daß dadurch die Geschäfte leiden , zu denen er zum Teile als passives Glied angesetzt ist.
Wo hätte denn auch Nietzsche jemals auf Grund seines Räsonnierens Konsequenzen befürchten müssen? Konsequenzen , wie sie beispielsweise Karl Marx erlebt hat!
Als solches konnte zumindest Marx ganz sicher nicht als ein Professor Nietzsche leben. Ob Marx das unter den heutigen Umständen könnte? Wie dem auch sei, heute kann man ganz sicher sehr viel leichter als ein Professor Nietzsche leben , als zu einer Zeit , als eine preußische Obrigkeit aus Berlin , der „Rheinischen Zeitung“ , unter der Redaktion von Marx, einen Spezialzensor auf den Hals hetzte. Mit der Folge , dass schließlich das Erscheinen der Zeitung zum 1. April 1843 untersagt wurde.
Konnte man denn nach den „notwendigen Mechanism“(Kant) in der DDR , als ein Professor Nietzsche leben ..
Hermlin schrieb in dem von Heyer zitierten Aufsatz in „Sinn und Form“ (1,1988): „Nietzsche existiert nicht in der DDR, ich halte das für einen Mangel, weil Sozialisten an keiner wesentlichen Gestalt vorbeigehen können.“ In sein 1976 erschienenes „Deutsches Lesebuch“ hatte er ein Gedicht aus Nietzsches „Zarathustra“ aufgenommen. Hermlin zitierte auch Thomas Mann: „Wer Nietzsche ‚eigentlich‘ nimmt, wörtlich nimmt, wer ihm glaubt, ist verloren. Mit ihm wahrhaftig steht es wie mit Seneca, den er einen Menschen nennt, dem man immer sein Ohr, aber niemals ‚Treu und Glauben‘ schenken sollte.“ ... Eine alte Debatte, neu aufgemischt: Nietzsche in der DDR
Vermutlich konnte man dort noch nicht einmal als ein Professor Marx leben. Ganz zu schweigen als jemand , dessen Kernbotschaft lautet „Zurück zu Nietzsche“. Nach zu lesen in Links- Nietzscheanismus Band 1 und 2 . Deren Erscheinen übrigens , wie ich annehme , weder durch einen "Spezialszensor" behindert wurde , noch von dem zu befürchten war , dass es untersagt werden würde. "In diesem Sinne" .. ein ganzer Nietzsche und wenn ich mir die doch sehr drastische Zensur meiner Beiträge , in den diversen Foren vergenwärtige , so wäre ich ... "in diesem Sinne" .. wohl eher ein ganzer Marx. Manchmal komme ich mir darin vor , wie bei den „notwendigen Mechanism“(Kant) in der DDR. Um es in den Worten von Kant zu formulieren , weil auch in manchen dieser Geschäften, die in das Interesse des gemeinen Wesens laufen, offenbar ein gewisser Mechanism notwendig ist , habe ich in diesen Foren zu gehorchen. Wenn nicht , droht eine Sperrung. Glücklicherweise kann ich zumindest hier als Seiltaenzerie leben. Wenn gleich nur als "redender Einsiedler".
Apropos „Uhrwerk“ …
. Nun ist zu manchen Geschäften, die in das Interesse des gemeinen Wesens laufen, ein gewisser Mechanism notwendig, vermittelst dessen einige Glieder des gemeinen Wesens sich bloß passiv verhalten müssen …" Kant .. Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung
.. Kant spricht hier auch von „notwendigen Mechanism“ ..
"Hier ist es nun freilich nicht erlaubt, zu räsonnieren; sondern man muß gehorchen. So fern sich aber dieser Teil der Maschine zugleich als Glied eines ganzen gemeinen Wesens, ja sogar der Weltbürgergesellschaft ansieht, mithin in der Qualität eines Gelehrten, der sich an ein Publikum im eigentlichen Verstande durch Schriften wendet: kann er allerdings räsonnieren, ohne daß dadurch die Geschäfte leiden, zu denen er zum Teile als passives Glied angesetzt ist" Kant .. Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung
… denen ist , weil sie in das Interesse des gemeinen Wesens laufen , zu gehorchen. Wenn man sich dazu den Lebenslauf von Nietzsche vergegenwärtigt , so kommt man wohl nicht umhin zu konstatieren , dass er eben das getan , er hat gehorcht. Ja mehr noch , er ist geradezu ein Paradebeispiel dafür , wie man ..so Kant .. dennoch als Gelehrte räsonnieren kann , ohne daß dadurch die Geschäfte leiden , zu denen er zum Teile als passives Glied angesetzt ist.
Wo hätte denn auch Nietzsche jemals auf Grund seines Räsonnierens Konsequenzen befürchten müssen? Konsequenzen , wie sie beispielsweise Karl Marx erlebt hat!
Als solches konnte zumindest Marx ganz sicher nicht als ein Professor Nietzsche leben. Ob Marx das unter den heutigen Umständen könnte? Wie dem auch sei, heute kann man ganz sicher sehr viel leichter als ein Professor Nietzsche leben , als zu einer Zeit , als eine preußische Obrigkeit aus Berlin , der „Rheinischen Zeitung“ , unter der Redaktion von Marx, einen Spezialzensor auf den Hals hetzte. Mit der Folge , dass schließlich das Erscheinen der Zeitung zum 1. April 1843 untersagt wurde.
Konnte man denn nach den „notwendigen Mechanism“(Kant) in der DDR , als ein Professor Nietzsche leben ..
Hermlin schrieb in dem von Heyer zitierten Aufsatz in „Sinn und Form“ (1,1988): „Nietzsche existiert nicht in der DDR, ich halte das für einen Mangel, weil Sozialisten an keiner wesentlichen Gestalt vorbeigehen können.“ In sein 1976 erschienenes „Deutsches Lesebuch“ hatte er ein Gedicht aus Nietzsches „Zarathustra“ aufgenommen. Hermlin zitierte auch Thomas Mann: „Wer Nietzsche ‚eigentlich‘ nimmt, wörtlich nimmt, wer ihm glaubt, ist verloren. Mit ihm wahrhaftig steht es wie mit Seneca, den er einen Menschen nennt, dem man immer sein Ohr, aber niemals ‚Treu und Glauben‘ schenken sollte.“ ... Eine alte Debatte, neu aufgemischt: Nietzsche in der DDR
Vermutlich konnte man dort noch nicht einmal als ein Professor Marx leben. Ganz zu schweigen als jemand , dessen Kernbotschaft lautet „Zurück zu Nietzsche“. Nach zu lesen in Links- Nietzscheanismus Band 1 und 2 . Deren Erscheinen übrigens , wie ich annehme , weder durch einen "Spezialszensor" behindert wurde , noch von dem zu befürchten war , dass es untersagt werden würde. "In diesem Sinne" .. ein ganzer Nietzsche und wenn ich mir die doch sehr drastische Zensur meiner Beiträge , in den diversen Foren vergenwärtige , so wäre ich ... "in diesem Sinne" .. wohl eher ein ganzer Marx. Manchmal komme ich mir darin vor , wie bei den „notwendigen Mechanism“(Kant) in der DDR. Um es in den Worten von Kant zu formulieren , weil auch in manchen dieser Geschäften, die in das Interesse des gemeinen Wesens laufen, offenbar ein gewisser Mechanism notwendig ist , habe ich in diesen Foren zu gehorchen. Wenn nicht , droht eine Sperrung. Glücklicherweise kann ich zumindest hier als Seiltaenzerie leben. Wenn gleich nur als "redender Einsiedler".