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"man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben"

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Es ging hier ja, wenn ich dich recht verstehe, um die Frage der Wirksamkeit meines bzw. unseres Engagements in Sachen Corona-Politik.

"Eine Partei des Lebens, vielfältig und diffus wie das Leben selbst, doch klaren Sinnes und von eiserner Disziplin, leidenschaftlich und volkstümlich, von Nietzscheschem Geist und von Marxen geschweißt, wird eine Gewalt sein, die alle Trumps und Macrons, alle Jinpings und alle von der Leyens, alle Bezos und Zuckerbergs, alle Sellners und Gaulands, alle Oligarchen und Ölscheichs hinwegfegen [...] wird." (Paul Stephan, Die Linke neu leben)

Es ging mit mir hier , um die hier , von Jonas .. den Themenstarter!   ,.,. zur Diskussion gestellte These " dass man nicht als ein Professor Nietzsche leben kann ".

Zitat von Jonas am 23. April 2020, 1:18 Uhr

 ...

Einer, der selbst nie Teil der akademischen Philosophie werden wollte und der den geistig verwandten Adorno in einem Briefwechsel mit  folgenden Worten kritisierte:

"Damit, durch das Wort ›Professor‹, bin ich bei einer anderen Ursache meiner Schwierigkeit Ihnen gegenüber. Es ist mir nämlich unbegreiflich, wie es möglich ist, auf der einen Seite als philosophischer Autor im prägnantesten Sinne ein Avantgardist zu sein; auf der anderen Seite aber eine offizielle Stellung zu bekleiden, und sich von denjenigen, denen man durch das, was man schreibt, die Achtung versagt, ehren zu lassen. Mir scheint, man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben oder als ein surrealistischer Geheimrat. Etwas von dieser Kreuzung haben Sie aber in meinen Augen an sich. Solche Doppelexistenz muss sich, glaube ich, rächen. Ein Revolutionär – und als Theoretiker sind Sie das natürlich –[,] der sich durch seine Stellung selbst seine Hände bindet, der erregt Misstrauen."

Hatte er recht mit dieser Kritik?

Es ist auf jeden Fall schade, dass es diesen Typus des nicht akademischen Intellektuellen bzw. Philosophen gegenwärtig fast überhaupt nicht mehr zu geben scheint.  "Etwas fehlt da ganz gewaltig."

Dazu wiederum Adorno in der Minima Moralia (auf diese Stelle bezieht sich Anders vielleicht auch in seiner Kritik oben)  : "Man könnte aber Nietzsche so wenig in einem Büro, in dessen Vorraum die Sekretärin das Telefon betreut, bis fünf Uhr am Schreibtische sich vorstellen, wie nach vollbrachtem Tagewerk Golf spielend."

Um  von  hier  aus  doch noch eine  Brücke  zur  Corona Politik  zu  schlagen . Könnte  man sich deiner  Meinung nach  ein Professor  Nietzsche ,  als "surrealistischen"  Politiker   im   Bundestag  vorstellen  , der  in  einer Rede  sich  für den   Lockdowm   einsetzt  bzw.     als  "Avantgardist" ,  auf Seiten   der  s.g. Querdenker ,  die sich  vehement dagegen aussprechen.    Ich denke mal   .. weder  noch.

Es sind also stets miteinander untrennbar verwoben, zwei Stimmen die aus Nietzsches Terxten sprechen . Diejenige des privilegierten Bürgersohn und diejenige des in gescheiterten und vom Bürgertum grundlegend entfremdeten drop out.

Paul Stephan .. Links Nietzscheanis  Band 1 S. 28

Was würdest du denn meinen , mit welcher  dieser beiden Stimmen und dem zu folge  , mit was  würde er sich zur Corona Politik  zu Wort   melden  ?

In der ersten Welle der politischen Nietzsche Rezeption [.. ] ist Nietzsche vor allem als Denker der individuellen Befreiung verstanden worden. [.. ].. Dieser Aspekt seines Werkes , ist immer noch äußerst populär , gerade in seiner <laienhaften >Rezeption.

Paul Stephan .. Links Nietzscheanis  Band 1 S. 27 ..28

Gemäß    dieser <laienhaften >Rezeption  ,  würde   er  sich  vermutlich mit der Stimme   des  vom Bürgertum grundlegend entfremdeten drop outs äußern . Zumindest  wenn  man  unterstellt ,   dass individuellen Befreiung   des  priviligierten Bürgertums Ding nicht ist .Das   wäre ganz sicher vielmehr das  Ding der Querdenker.  Somit  Nietzsche   gemäß dieser laienhaften Rezeption  sich in seinen Texten ggf.  gegen den Lockdown  aussprechen würde. Um  auf das Thema  dieses  Threads  zurück zu kommen .. eine offizielle Stellung kann  man damit  möglicherweise  nicht bekleiden.

Der  "Backfire Effekt"    und  ..

  • Wann es ratsam ist, Unrecht zu behalten. – Man tut gut, gemachte Anschuldigungen, selbst wenn sie uns Unrecht tun, ohne Widerlegung hinzunehmen, im Fall der Anschuldigende darin ein noch größeres Unrecht unsererseits sehen würde, wenn wir ihm widersprächen und etwa gar ihn widerlegten. Freilich kann einer auf diese Weise immer Unrecht haben und immer Recht behalten und zuletzt mit dem besten Gewissen von der Welt der unerträglichste Tyrann und Quälgeist werden; und was vom einzelnen gilt, kann auch bei ganzen Klassen der Gesellschaft vorkommen.
  • Friedrich Nietzsche  .. Menschliches , Allzumenschliches

 

Andererseits würde   ich  diese Querdenker  schon als   jene "unerträglichsten  Tyrannen  und Quälgeiser  ,mit besten Gewissen"  sehen  , die   .. so Nietzsche ..   wenn man  ihnen widerspräche  und etwa gar widerlegte , ein noch größeres Unrecht unsererseits   sehen würden.  "Unserseits"  wäre  in  diesem Fall  diejenigen , die für den Lockdown  sind.

 

Übrigens   .. um  auf das Thema  dieses Threads  zurück zu kommen  ...so  könnte  ich mir  schon  ein Professor Nietzsche vorstellen , der daheim,   in seiner  Kemenate  ,  so etwas wie den Backfire Effect ausbaldowert.  Mit  "Wann es ratsam ist, Unrecht zu behalten"    war  er  an  diesem Effekt   .. wie ich finde ...   schon ziemlich  dicht dran.

Ich denke aber schon, dass es einige Elemente in Nietzsches Denken gibt, die sich gegen diese Politik anführen lassen: Nämlich genau seine Kritik an Obrigkeitshörigkeit, Wissenschaftsgläubigkeit und dem modernen Verständnis von "Gesundheit".

In dem Text habe ich das versucht, ein wenig anzureißen:

InDebate: Corona im Kontext

Nietzsche wäre doch klar dagegen, dass man das bloße Überleben zugunsten der Freiheit opfert.

Wobei er die "Querdenker" sicher auch nicht gut gefunden hätte. Da treffen "Anarchisten und Antisemiten" ja leider oftmals zusammen.

Insofern würde ich schon behaupten, dass ich in dieser Frage recht "orthodox nietzscheanisch" bin.

(Was mir allerdings, wie andernorts gesagt, nicht so wichtig ist. 😉 )

"Eine Partei des Lebens, vielfältig und diffus wie das Leben selbst, doch klaren Sinnes und von eiserner Disziplin, leidenschaftlich und volkstümlich, von Nietzscheschem Geist und von Marxen geschweißt, wird eine Gewalt sein, die alle Trumps und Macrons, alle Jinpings und alle von der Leyens, alle Bezos und Zuckerbergs, alle Sellners und Gaulands, alle Oligarchen und Ölscheichs hinwegfegen [...] wird." (Paul Stephan, Die Linke neu leben)
Zitat von PS am 14. September 2021, 3:49 Uhr

Ich denke aber schon, dass es einige Elemente in Nietzsches Denken gibt, die sich gegen diese Politik anführen lassen: Nämlich genau seine Kritik an Obrigkeitshörigkeit, Wissenschaftsgläubigkeit und dem modernen Verständnis von "Gesundheit".

In dem Text   "InDebate: Corona im Kontext"   habe ich das versucht, ein wenig anzureißen:

  • "Von großem philosophischen Interesse ist jedenfalls, wie sehr der gesamte Diskurs um Corona die nietzscheanische Einsicht bestätigt, dass es eben im strengen Sinne keine Fakten, sondern nur Interpretationen gibt. Das bedeutet nicht, dass es keine Realität des Corona-Virus’ geben würde, sondern eben nur, dass es keinen unmittelbaren Zugriff auf diese Realität gibt".

Das Menschen  sich mit  Corona  infizieren  und in Folge dessen    erkranken und sterben können ,  ist ganz sicher  keine   Interpretation im Diskurs um Corona .

 

Viele Länder sah Zarathustra und viele Völker: so entdeckte er vieler Völker Gutes und Böses. Keine größere Macht fand Zarathustra auf Erden als Gut und Böse.

Leben könnte kein Volk, das nicht erst schätzte; will es sich aber erhalten, so darf es nicht schätzen, wie der Nachbar schätzt.

Vieles, das diesem Volke gut hieß, hieß einem andern Hohn und Schmach: also fand ich's. Vieles fand ich hier böse genannt und dort mit purpurnen Ehren geputzt.

Nie verstand ein Nachbar den andern: stets verwunderte sich seine Seele ob des Nachbarn Wahn und Bosheit.

Friedrich Nietzsche ..  Also sprach Zarathustra

 

Wenn  denn  etwas  eine Frage der Interpretation  ist , dann ..   so   Nietzsche   .. ab  welcher  Anzahl  von Infizierten und  in dessen  Folge  Erkrankten  und Toten , wir ..  "geschätzt"  ..    von  guten  und gerechtfertigten     bzw.  bösen  und ungerechtfertigten Corona -Maßnahmen  sprechen.

Besprechung des Chefs des Bundeskanzleramtes  mit den Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien
am 16. Juli 2020Bund und Länder haben am 6. Mai 2020 einen Mechanismus vereinbart, der eine so-
fortige und wirkungsvolle Reaktion auf eine regionale Dynamik erlaubt: Die Länder
stellen sicher, dass in Landkreisen oder kreisfreien Städten spätestens mit kumulativ
mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten 7 Tage so-
fort ein konsequentes Beschränkungskonzept unter Einbeziehung der zuständigen
Landesbehörde umgesetzt und das RKI einbezogen wird.

 

 

So   hat die  Politik am 16. Juli 2020 beschlossen , dass  bei  ..    "geschätzt" ..    mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten 7 Tage , sofort ein konsequentes Beschränkungskonzept umgesetz  werden soll.  Bei dir,  in deinem  Text "InDebate: Corona im Kontext"  ,   finde ich  dazu  nichts .  Diese  Schätzung gehört  aber,  wenn man denn dieses  "Element in Nietzsches Denken"  mit anführt  unbedingt mit  rein.   Einfach nur   das   ,  was   diese "Politik  gut hieß   , Hohn und Schmach   zu  heißen(Nietzsche)" ,   ist  ,  ohne  sich selbst mit einer Schätzung vergleichbar  zu machen ,  unglaubwürdig . Es  sei denn , du lehnst  die Umsetzung von konsequenten Beschränkungskonzepten , im Zusammenhang mit  einer Pandemie  wie Corona ,  generell ab.  Nur   dann  gehört   aber  das   in deinen Text.

Zitat von Jonas am 23. April 2020, 1:18 Uhr

Günther Anders"Damit, durch das Wort ›Professor‹, bin ich bei einer anderen Ursache meiner Schwierigkeit Ihnen gegenüber. Es ist mir nämlich unbegreiflich, wie es möglich ist, auf der einen Seite als philosophischer Autor im prägnantesten Sinne ein Avantgardist zu sein; auf der anderen Seite aber eine offizielle Stellung zu bekleiden, und sich von denjenigen, denen man durch das, was man schreibt, die Achtung versagt, ehren zu lassen. Mir scheint, man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben oder als ein surrealistischer Geheimrat. Etwas von dieser Kreuzung haben Sie aber in meinen Augen an sich. Solche Doppelexistenz muss sich, glaube ich, rächen. Ein Revolutionär – und als Theoretiker sind Sie das natürlich –[,] der sich durch seine Stellung selbst seine Hände bindet, der erregt Misstrauen."

Hatte er recht mit dieser Kritik?

  Um auf den Beitrag  von Jonas  und damit   auf  das  Thema dieses Threads zurück  zu kommen   ....

Freigeist ein relativer Begriff. – Man nennt den einen Freigeist, welcher anders denkt, als man von ihm auf Grund seiner Herkunft, Umgebung, seines Standes und Amtes oder auf Grund der herrschenden Zeitansichten erwartet.Er ist die Ausnahme, die gebundenen Geister sind die Regel;

Friedrich  Nietzsche  .. Menschliches  Allzumenschliches

 

Könnte deine .. relative Freigeistigkeit (Nietzsche)!  .. , in  dieser Angelenheit,  vielleicht tatsächlich  darauf  zurück  zu führen sein, dass du   kein  politisches Amt  bekleidest?  Du  dich  also  als    ungebundener  Geist  den Luxus leisten kannst , dich nicht  an solchen  .. Schätzungen(Nietzsche) ..zu binden,  zu denen sich  die gebundene  Politik gelegentlich genötigt sieht?

 


Hatte ich  recht mit dieser Kritik?

 

 

 

@PS

Weil diesbezüglich und zwar der Familie in deiner letzten Email die Rede war ., so könnte im Hinblick auf das Thema dieses Threads , als da wäre .. „man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben ". vielleicht noch folgendes Zitat interessant sein..

 

Denn jeder Trieb ist herrschsüchtig: und als solcher versucht er zu philosophieren. – Freilich: bei den Gelehrten, den eigentlich wissenschaftlichen Menschen, mag es anders stehn – »besser«, wenn man will –, da mag es wirklich so etwas wie einen Erkenntnistrieb geben, irgendein kleines unabhängiges Uhrwerk, welches, gut aufgezogen, tapfer darauflos arbeitet, ohne daß die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich dabei beteiligt sind. Die eigentlichen »Interessen« des Gelehrten liegen deshalb gewöhnlich ganz woanders, etwa in der Familie oder im Gelderwerb oder in der Politik ..

Friedrich Nietzsche … Jenseits von Gut und Böse

Demnach kann man nur als ein ein Professor Nietzsche leben , wenn die eigentlichen »Interessen« des Gelehrten ganz woanders liegen ,etwa in der Familie. Zumindest wenn man als eigentlich wissenschaftlicher Mensch beabsichtigt und davon gehe ich bei Nietzsche aus, allein dem Erkenntnistrieb folgt , ohne das die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich dabei beteiligt sind. Nur so kann lt. Nietzsche der Erkenntnistrieb, gleichsam einem unabhängigem Uhrwerk, welches gut aufgezogen ist , tapfer darauflos arbeiten. In Sachen Nietzsche gibt es da nur ein Problem . Bei Nietzsche lagen die  eigentlichen »Interessen« wohl eher nicht in der Familie , im Gelderwerb oder in der Politik. Zumindest war er weder ein Politiker ,im eigentlichen Sinne, noch war er ein Familienoberhaupt ..

Ihr ( von Salis , Meysenbug) .. Reichtum ermöglichte es ihnen eine solche Haltung einzunehmen - wie auch Nietzsche ohne eine stattliche Rente kaum der freie Philosoph hätte werden können , als der er in die Geschichte eingegangen ist.

Paul Stephan .. Links -Nietzscheanismus Band 2 Seite 30

.. und wenn man dir glauben schenken darf , so lag auf Grund einer stattlichen Rente sein eigentliches »Interessen« auch nicht im Gelderwerb.

 

Das menschliche Elend bei einer Meerfahrt ist schrecklich und doch eigentlich lächerlich, ungefähr so wie mir mitunter mein Kopfschmerz vorkommt, bei dem man sich in ganz blühenden Leibesumständen befinden kann – kurz, ich bin heute wieder in der Stimmung des »heitern Krüppeltums«, während ich auf dem Schiffe nur die schwärzesten Gedanken hatte und in bezug auf Selbstmord allein darüber im Zweifel blieb, wo das Meer am tiefsten sei, damit man nicht gleich wieder herausgefischt werde und seinen Errettern noch dazu eine schreckliche Masse Gold als Sold der Dankbarkeit zu zahlen habe.

Friedrich Nietzsche ...An Malwida von Meysenbug 13.5.1877

Ich denke mal , dass Nietzsche eigentliches »Interesse  « bei seinem »heitern Krüppeltum« lag.

 

Aber das Schlimmste ist: ich begreife gar nicht mehr, wozu ich auch nur ein halbes Jahr leben soll, alles ist langweilig, schmerzhaft, degoutant. Ich entbehre und leide zuviel und habe einen Begriff von der Unvollkommenheit, den Fehlgriffen und den eigentlichen Unglücksfällen meiner ganzen geistigen Vergangenheit, der über alle Begriffe ist. Es ist nichts mehr gutzumachen; ich werde nichts Gutes mehr machen. Wozu noch etwas machen! –

Das erinnert mich an meine letzte Torheit, ich meine den »Zarathustra« (Ist es jetzt deutlich zu lesen? Ich schreibe wie ein Schwein).

Friedrich Nietzsche .. An Franz Overbeck, 24.3.1883

Einem „eigentliches Interesse“ , an seinem Leiden , dem wir einen späten (wie ein Schwein schreibenden ) Nietzsche und damit seinen »Zarathustra« verdanken.

  • ..je älter Nietzsche wird desto schriller tönt seine Rede die Worte hören auf die Dinge zu decken und das Unisono der Proklamationen verweist am Ende nur noch auf sich selbst. Da wird geschrien und kommandiert.. aber wenn das Wahnsinn ist , was ich hier im einem imperialen Stil ausdrücke, mit rauschenden Floskeln und Parodie,die sich für Verkündigung hält, dann ist auch schon der Zarathustra, vom Wahnsinn gezeichnet
  • Walter Jens .. 22:30 Min

 

Nietzsche war sich also dessen sehr wohl bewusst , was ihm hier von Walter Jens ausgestellt wurde.

Denn jeder Trieb ist herrschsüchtig: und als solcher versucht er zu philosophieren. – Freilich: bei den Gelehrten, den eigentlich wissenschaftlichen Menschen, mag es anders stehn – »besser«, wenn man will –, da mag es wirklich so etwas wie einen Erkenntnistrieb geben, irgendein kleines unabhängiges Uhrwerk, welches, gut aufgezogen, tapfer darauflos arbeitet, ohne daß die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich dabei beteiligt sind. Die eigentlichen »Interessen« des Gelehrten liegen deshalb gewöhnlich ganz woanders, etwa in der Familie oder im Gelderwerb oder in der Politik ..

Friedrich Nietzsche … Jenseits von Gut und Böse

 

Womöglich hat sich Nietzsche , als er denn bei seinem Zarathustra von einer Torheit, um nicht sogar zu sagen einer Schweinerei sprach , sich in eben jener Phase befunden, in der .. die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten an den Erkenntnistrieb beteiligt waren(Nietzsche). Will sagen .. er war  gemäß dem o.g. Zitat aus Jenseits von Gut und Böse   zu diesem Zeitpunkt kein wissenschaftlicher Mensch, im eigentlichen Sinne. Er war in diesem Moment in jenen frühen Zustand zurück gefallen , der von Walter Jens ausdrücklich gelobt wurde. Einem Zustand , wo er noch seinem frühen Stilideal folgend ..

..kein Zweifel das Nietzsche sein Stilideal im Frühwerk der Philosophie des Vormittags zu realisieren verstand , wenn er erzählt , wenn er witzig ist, .. wenn er die Odyssee eines Ausgehanzugs analysiert.

Walter Jens .. 21:10 Min

 

.. die Odyssee eines Ausgehanzugs zu analysieren verstand.

Womit sich in puncto „wissenschaftlicher Nietzsche“ sich sehr schön die Spreu vom Weizen trennen lässt . Wer an Nietzsches frühen Stilideal  bzw. an die Odyssee eines Ausgehanzugs interessiert ist, mag .. wie Walter Jens! ..   mit den frühen Nietzsche vorlieb nehmen . Wer an den wissenschaftlichen Nietzsche interessiert ist  .. wie meine Wenigkeit ! ..   der kommt wohl um die „Torheiten und  Schweinereien“ des späten Nietzsche nicht umhin.

 

Gut möglich das man ja selbst im Leiden sein eigentliches »Interesse« gefunden haben muss , um einen Zugang , zu diesen späten Nietzsche zu haben. Was diesbezüglich mich selbst betrifft , so kann ich vielleicht nicht als ein Professor Nietzsche leben , bin aber in puncto  »heitern Krüppeltum« ganz sicher dichter dran an ihm , als mir lieb sein kann. Das mal nur so neben bei. .. oder auch nicht.

 

 

 

P.S.

Gemäß Nietzsches „andre Kombination “ konnte es mit der stattlichen Rente  wohl nicht weit her sein ...

 

Der Plan nun, welchen Frl. von Meysenbug als unverrückbar im Auge zu behalten bezeichnet und an dessen Ausführung Du mithelfen mußt, ist der: Wir überzeugen uns, daß es mit meiner Baseler Universitätsexistenz auf die Dauer nicht gehen kann, daß ich sie höchstens auf Unkosten aller meiner wichtigeren Vorhaben und doch mit totaler Preisgebung meiner Gesundheit durchsetzen könnte. Freilich werde ich den nächsten Winter in diesen Verhältnissen dort noch zubringen müssen, aber Ostern 1878 soll es zu Ende sein, falls die andre Kombination gelingt, d. h. die Verheiratung mit einer zu mir passenden, aber notwendig vermöglichen Frau. »Gut, aber reich« wie Frl. v. M. sagte, über welches »Aber« wir sehr lachten.

Friedrich Nietzsche ...An Elisabeth Nietzsche   25.4.1877

Um bezüglich des letzten Beitrages auf die Frage des Themenstarters zurück zu kommen ..

 

"Damit, durch das Wort ›Professor‹, bin ich bei einer anderen Ursache meiner Schwierigkeit Ihnen gegenüber. Es ist mir nämlich unbegreiflich, wie es möglich ist, auf der einen Seite als philosophischer Autor im prägnantesten Sinne ein Avantgardist zu sein; auf der anderen Seite aber eine offizielle Stellung zu bekleiden, und sich von denjenigen, denen man durch das, was man schreibt, die Achtung versagt, ehren zu lassen. Mir scheint, man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben oder als ein surrealistischer Geheimrat. Etwas von dieser Kreuzung haben Sie aber in meinen Augen an sich. Solche Doppelexistenz muss sich, glaube ich, rächen. Ein Revolutionär – und als Theoretiker sind Sie das natürlich –[,] der sich durch seine Stellung selbst seine Hände bindet, der erregt Misstrauen."

Hatte er recht mit dieser Kritik?

Jonas …."man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben"

 

Er hätte nur dann recht mit dieser Kritik recht , wenn ..

 

Denn jeder Trieb ist herrschsüchtig: und als solcher versucht er zu philosophieren. – Freilich: bei den Gelehrten, den eigentlich wissenschaftlichen Menschen, mag es anders stehn – »besser«, wenn man will –, da mag es wirklich so etwas wie einen Erkenntnistrieb geben, irgendein kleines unabhängiges Uhrwerk, welches, gut aufgezogen, tapfer darauflos arbeitet, ohne daß die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich dabei beteiligt sind. Die eigentlichen »Interessen« des Gelehrten liegen deshalb gewöhnlich ganz woanders, etwa in der Familie oder im Gelderwerb oder in der Politik .

.Friedrich Nietzsche … Jenseits von Gut und Böse

 

.. ich zitiere ..

 

.. .im Umkehrschluss! … „die gesamten übrigen Triebe des Gelehrten wesentlich an dem Erkenntnistrieb beteiligt sind“ .

Will sagen .. um auf das Beispiel zurück zu kommen . wenn der Erwerbstrieb des Professors , in Form seiner offiziellen Stellung als surrealistischer Geheimrat , auf der anderen Seite an dem beteiligt ist, was er als philosophischer Autor bzw. im prägnantesten Sinne als ein Avantgardist zu Papier bringt. Dann reden wir tatsächlich von einer zu kritisierenden Doppelexistenz. Wenn jedoch  ..so Nietzsche  ..das  eigentliche »Interessen« des Gelehrten in eben jenem Gelderwerb als Geheimrat liegt , so dass der Erkenntnistrieb wie ein irgendein kleines,   wohlgemerkt  .. unabhängiges! .. Uhrwerk arbeiten kann , dann kann man sehr wohl als ein wissenschaftlicher Mensch bzw. als ein Professor Nietzsche leben. So „einfach“ ist das.

 

 

Apropos „Uhrwerk“ …

. Nun ist zu manchen Geschäften, die in das Interesse des gemeinen Wesens laufen, ein gewisser Mechanism notwendig, vermittelst dessen einige Glieder des gemeinen Wesens sich bloß passiv verhalten müssen …"      Kant .. Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung

.. Kant spricht hier auch  von „notwendigen Mechanism“  ..

"Hier ist es nun freilich nicht erlaubt, zu räsonnieren; sondern man muß gehorchen. So fern sich aber dieser Teil der Maschine zugleich als Glied eines ganzen gemeinen Wesens, ja sogar der Weltbürgergesellschaft ansieht, mithin in der Qualität eines Gelehrten, der sich an ein Publikum im eigentlichen Verstande durch Schriften wendet: kann er allerdings räsonnieren, ohne daß dadurch die Geschäfte leiden, zu denen er zum Teile als passives Glied angesetzt ist"      Kant .. Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung

 

… denen ist , weil sie in das Interesse des gemeinen Wesens laufen , zu gehorchen. Wenn man sich dazu den Lebenslauf von Nietzsche vergegenwärtigt , so kommt man wohl nicht umhin zu konstatieren , dass er eben das getan , er hat gehorcht. Ja mehr noch , er ist geradezu ein Paradebeispiel dafür  , wie man ..so Kant .. dennoch als Gelehrte räsonnieren kann , ohne daß dadurch die Geschäfte leiden , zu denen er zum Teile als passives Glied angesetzt ist.

Wo hätte denn auch Nietzsche jemals auf Grund seines Räsonnierens Konsequenzen befürchten müssen? Konsequenzen , wie sie beispielsweise Karl Marx erlebt hat!

Als solches konnte zumindest Marx ganz sicher nicht als ein Professor Nietzsche leben. Ob  Marx  das unter den heutigen Umständen könnte? Wie dem auch sei, heute kann man ganz sicher sehr viel leichter als ein Professor Nietzsche leben , als zu einer Zeit , als  eine  preußische Obrigkeit aus Berlin  ,  der „Rheinischen Zeitung“ , unter der Redaktion von Marx, einen Spezialzensor auf den Hals hetzte.   Mit  der  Folge  ,   dass    schließlich das Erscheinen der Zeitung zum 1. April 1843 untersagt   wurde.

Konnte  man denn  nach  den  „notwendigen Mechanism“(Kant) in der  DDR  , als  ein Professor Nietzsche  leben  ..

Hermlin schrieb in dem von Heyer zitierten Aufsatz in „Sinn und Form“ (1,1988): „Nietzsche existiert nicht in der DDR, ich halte das für einen Mangel, weil Sozialisten an keiner wesentlichen Gestalt vorbeigehen können.“ In sein 1976 erschienenes „Deutsches Lesebuch“ hatte er ein Gedicht aus Nietzsches „Zarathustra“ aufgenommen. Hermlin zitierte auch Thomas Mann: „Wer Nietzsche ‚eigentlich‘ nimmt, wörtlich nimmt, wer ihm glaubt, ist verloren. Mit ihm wahrhaftig steht es wie mit Seneca, den er einen Menschen nennt, dem man immer sein Ohr, aber niemals ‚Treu und Glauben‘ schenken sollte.“ ...  Eine alte  Debatte, neu aufgemischt: Nietzsche in der DDR

Vermutlich konnte man dort noch nicht einmal als ein Professor Marx leben. Ganz zu schweigen als jemand , dessen Kernbotschaft lautet „Zurück zu Nietzsche“.   Nach  zu  lesen   in  Links- Nietzscheanismus  Band 1 und 2 .  Deren  Erscheinen    übrigens  , wie ich annehme ,   weder    durch  einen   "Spezialszensor"   behindert  wurde   ,  noch  von  dem   zu   befürchten war , dass   es  untersagt  werden würde.  "In   diesem  Sinne" ..  ein  ganzer Nietzsche  und   wenn  ich  mir    die   doch  sehr  drastische  Zensur   meiner   Beiträge ,   in   den   diversen  Foren  vergenwärtige ,   so  wäre   ich  ...  "in   diesem  Sinne"   ..  wohl  eher  ein  ganzer Marx.   Manchmal  komme   ich  mir  darin    vor , wie  bei  den  „notwendigen Mechanism“(Kant) in der  DDR.  Um  es in den Worten  von  Kant zu formulieren  ,   weil     auch  in  manchen  dieser   Geschäften, die in das Interesse des gemeinen Wesens laufen, offenbar ein gewisser Mechanism notwendig  ist ,  habe  ich  in  diesen Foren zu gehorchen. Wenn  nicht  , droht  eine  Sperrung.  Glücklicherweise   kann  ich  zumindest   hier   als   Seiltaenzerie  leben. Wenn  gleich   nur    als  "redender   Einsiedler".

 

 

 

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