Gustav Landauer, am 7. April 1870 in Karlsruhe geboren, gilt zu Recht als der wichtigste deutsche anarchistische Schrifsteller. Und er ist natürlich auch eine der Hauptfiguren in meinem Links-Nietzscheanismus-Projekt, veröffentlichte er doch beispielsweise schon 1893 den wohl ersten „Nietzsche-Roman“ mit dem Titel Die Todesprediger, der Also sprach Zarathustra entlehnt ist.
Landauer kritisiert in seinen Texten u. a. den Autoritarismus und die Wissenschaftsgläubigkeit der Linken seiner Zeit (also vor allem der SPD) vehemeht und war 1914 entschiedener Pazifist. 1919 wurde er, einer der wichtigsten Protagonisten der Revolution von 1918/19, von Faschisten ermordet.
Dieses Jahr könnte ein Anlass sein, seine rhetorisch glänzenden und stets von einem lodernden nietzscheanischen Feuergeist durchdrungenen Schriften wiederzuentdecken. Er kritisiert Nietzsche dabei auf der inhaltlichen Ebene durchaus: Doch er bleibt für ihn zeit seines Lebens trotzdem eine der wichtigsten Referenzfiguren.
Gerade in einer Zeit, in der die Linke wissenschaftsgläubig in den „Corona-Burgfrieden“ mit einstimmt, um an den Fleischtöpfen des Neoliberalismus zu partizipieren, und dabei ignoriert, dass es sich bei der Lockdown-Politik, von der Reiche kaum Nachteile haben und unter der gerade die sozial Schwächsten am meisten zu leiden haben (nicht zuletzt auch im globalen Süden), um klassischen „Klassenkampf von oben“ handelt, ist Landauers freigeistiges Links-Sein so aktuell wie selten zuvor.
Danke für die Erinnerung an Landauer. Habe von deinem Beitrag inspiriert heute in meiner Pause angefangen „Revolution“ von ihm zu lesen. „Das Fremde aber, das wir bisher als Außenwelt liegenließen, müssen wir in unser Eigenes verwandeln. Vielleicht kommen wir auf diesem Wege, durch die Schärfung und Verfeinerung all unserer Intensitäten, auch zu neuen Sinnen, zu neuen Bildern, von denen wir heute noch keine Ahnung haben.“ <3
Ja, das ist halt echt Nietzsche pur, würde ich sagen. 😀
Ein schönes Zitat; die Kombination Marx-Landauer wäre ziemlich stark. Landauer hat das „Kapital“ zwar gelesen und sogar ziemlich gründlich studiert, aber über seinen Proudhon-Übersetzungen wohl später wieder etwas vergessen. Kritik der pol. Ökonomie ist jedenfalls nicht sein forte, aber das macht nichts, um so mehr Kritik des Marxismus. Der „Aufruf zum Sozialismus“ (1911) ist auch ziemlich großartig. Hier findet sich ein
PDF: https://gustav-landauer.org/links
Landauer hat Nietzsche Anfang der 1890er Jahre für eine Art Vitalisierung der Arbeiterbewegung in Dienst (und gegen Bernstein et al in Schutz) nehmen wollen, wenngleich — offenbar — nicht als Sozialisten. Zwar hatte er bald auch weitere Kritik (v. a. Mangel an Ideal und Güte), aber die vitale Energie blieb ihm wichtig: „Namen sind Wirklichkeiten! Es gilt also zu schaffen! Der Philosoph der Zukunft ist kein Bücherwurm, sondern ein handelnder und umgestaltender Führer seines Volkes. Aber, fährt Nietzsche fort, das Schaffen braucht fortan nicht in Mord und Totschlag zu bestehen, in Krieg und Gesetzgebung; wer neue Werte schafft, wer neue Tafeln über den Menschen aufhängt, wer an die Stelle der alten Moral eine neue Moral setzt, der schafft neue Dinge, er hilft bei den Verwandlungen des Wirklichen.“ (G. Landauer)