Politische Stellungnahme aus aktuellem Anlass

Es könnte – trotz der entsprechenden eindeutigen Passagen in meinem Essay zu Sartres Todestag – in den letzten Tagen der Eindruck entstanden sein, dass ich mich zumindest duldend gegenüber den zunehmenden verschwörungstheoretischen und querfrontlerischen Tendenzen innerhalb der Protestbewegung gegen die Lockdown-Politik verhalten hätte. Ich möchte hier in aller Deutlichkeit festhalten, dass dem nicht so ist: Ich habe diese Tendenzen von Anfang an registriert, habe jedoch die Hoffnung gehegt, dass sich auch linke und liberale Kräfte dieser Bewegung anschließen und diese Tendenzen übertrumpfen würden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt habe ich diese Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, doch sehe zugleich deutlicher als bislang die Gefahr, dass es sich anders entwickeln könnte und so etwas wie eine zweite “Mahnwachen für den Frieden”-Bewegung etabliert.

Es wäre verhängnisvoll, wenn sich diese Befürchtung bewahrheiten würde, da angesichts der nun drohenden Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes das Schlimmste zu befürchten ist.

Ich appeliere daher an alle, die der herrschenden Corona-Politik kritisch gegenüberstehen, sich klar von Verschwörungstheorien und rechten Tendenzen in den eigenen Reihen zu distanzieren – und das nicht nur in Lippenbekenntnissen, sondern auch praktisch-konkret. Denn so gefährlich nun die autoritäre Anti-Corona-Politik auch sein mag: Das Anwachsen rechtspopulistischer, verschwörungstheoretischer Strömungen wäre noch verhängnisvoller. Das ist ein Karren, vor den wir kritischen Geister uns auf keinen Fall spannen lassen dürfen!

Es ist angesichts des fast völligen Verstummens oder sogar aggressiven Mittuns der linken und liberalen Opposition in den nun ausgerufenen “Burgfrieden” eine Tragödie, dass man sich nun vor die Wahl gestellt fühlt zwischen faschistoidem Rechtspopulismus und dem autoritären Lockdown-Regime. Doch wir müssen nun unbedingt Haltung zeigen und keiner dieser beiden falschen Versuchungen nachgeben. Unser Kurs ist klar: Wir wollen eine sachliche wissenschaftliche Prüfung der Verhältnismäßigkeit der bestehenden Maßnahmen. Das zu verlangen, kann keine “Verschwörungstheorie” sein angesichts der Erfolge des “schwedischen Sonderwegs” und immer neuer Studien seriöser Institutionen und Wissenschaftler, die uns Recht geben. Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass es nicht wir sind, die wissenschaftliche Erkenntnisse missachten, sondern unsere Kritiker. Unsere Kritik ist ja auch sichtlich erfolgreich: Immer mehr Stimmen melden sich nun zu Wort und erste Lockerungen des Maßnahmen werden anberaumt, Verschärfungen werden, wenigstens in Deutschland, sicherlich nicht folgen. Unsere Argumente sind bekannt und werden breit diskutiert. Darauf können wir stolz sein – doch wir dürfen diese Erfolge eben nicht dadurch ruinieren, dass wir uns nun mit Leuten gemein machen, die für die Zeit nach dem Ausnahmezustand eine ganz andere Agenda haben als wir.

Unseren verschwörungstheoretischen “Freunden” geht es in Wahrheit eben nicht um den Erhalt der Demokratie und eine solche wissenschaftliche Prüfung, stattdessen verbreiten sie haltlose Gerüchte und sorgen für eine panische Emotionalisierung, die den reaktionärsten Kräften nur Zulauf verschaffen kann.

Bislang beschränkte sich die Abgrenzung oft zu sehr auf bloße Floskeln, das machte uns in vielen Augen unglaubwürdig und unseren Kritikern machte es das leicht, uns in die “Querfront”-Ecke zu stellen. Wir müssen dem nun endlich ein Ende setzen und durch Taten demonstrieren, dass wir es ernst mit der Abgrenzung meinen und mit dem braunen Sumpf nichts zu tun haben. Gelingt diese entschiedene Abgrenzung nicht, werden wir in ihm unweigerlich versinken.

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